Weg-Wort vom 28. Juli 2010
Durchblick mit Folgen
Ich kann mir vorstellen, dass auch Sie schon mehr als einmal gesagt haben:
Da blicke ich beim besten Willen nicht mehr durch! Will heissen, ich hab
keine Ahnung von einer Sache, oder ich kapiers einfach nicht. Was aber,
wenn der umgekehrte Fall eintritt? Sie hören etwas, das Sie durchaus
verstehen. Aber es gefällt Ihnen ganz und gar nicht, es widerstrebt Ihnen,
löst sogar Widerstand aus bei Ihnen. Setzen Sie sich damit auseinander?
Gehen Sie einfach darüber hinweg? Stellen Sie Ihre eigene Ansicht dagegen?
Eine Stelle im Johannesevangelium geht mir nicht mehr aus dem Sinn:
Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Was er sagt, ist
unerträglich. Wer kann das anhören? Und Jesus fragte sie: Daran nehmt ihr
Anstoss? (Joh 6,60;61b)
Jesu Worte sind den Jüngern sauer aufgestossen, weil sie begriffen haben,
dass die Nachfolge ihnen etwas abverlangte. Die Einsicht, dass Begeisterung
allein nicht ausreicht, war schmerzlich. Sie hatten es sich leichter
vorgestellt. So aber gab es nicht nur angenehme Berührungspunkte, sondern
harte Reibungsflächen, an denen sie sich wund stiessen. Was Jesus sagte, war
für sie eine Zumutung. Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein, Jesus, was
du da von uns erwartest!
Geht es uns nicht ähnlich wie den Jüngern? Und damit wie Mark Twain? Der
sagte nämlich: Mir bereiten nicht die Bibelstellen Bauchschmerzen, die ich
nicht verstehen kann, sondern diejenigen, die ich verstehe.
Weil es nämlich Konsequenzen hat, wenn wir uns auf etwas oder mehr noch auf
jemanden einlassen. Weil wir dadurch immer tiefer Einblick bekommen, bis hin
zum Durchblick. Dieser Durchblick aber kann recht schmerzhaft sein. Er ist
in der Tat oft eine Zumutung. Jesus mutet uns aber nicht nur etwas zu, er
traut uns auch eine ganze Menge zu, mehr als wir uns selbst. Dieses Zutrauen
in uns lässt schier Unerträgliches tragbar werden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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