Weg-Wort vom 17. Januar 2008
Blindes Schicksal oder weise Fügung?
In der alttestamentlichen Weisheitsliteratur gibt es einen Text, der uns
unmittelbar anspricht, weil er so anschaulich und konkreten Erfahrungen
unseres Lebens abgelauscht ist:
Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine
bestimmte Zeit:
Geborenwerden hat seine Zeit;
und Sterben hat seine Zeit.
Pflanzen hat seine Zeit,
und Ausrotten hat seine Zeit...
Weinen hat seine Zeit,
und Lachen hat seine Zeit...
Suchen hat seine Zeit,
und Verlieren hat seine Zeit...
Schweigen hat seine Zeit,
und Reden hat seine Zeit (Pred 3,1ff.)
Der Prediger erinnert zuerst an die beiden mächtigen Marksteine, von denen
jedes Menschenleben eingefasst ist: Geborenwerden und Sterben. Und dann
rollt er vor unseren Augen einen bunten Teppich unseres Daseins auf: Wir
sehen darin die vielen Webmuster fröhliche und traurige die
hineingewoben sind.
Nach dem biblischen Schriftsteller gibt es für alles in der Welt einen
festgesetzten Augenblick und eine bestimmte Stunde. Er geht von der
Erfahrung aus, dass unsere Freiheit in der Gestaltung unseres Lebens
begrenzt ist, dass Vieles oder gar das Meiste unseres Lebens undurchschaubar
ist. Es gibt sehr viele Situationen, die der Mensch nicht selber bestimmen
kann.
Da stellt sich die alles entscheidende Frage: Wer bestimmt diese Stunde? Wer
steht hinter all den Wechselfällen des Lebens? Aus dem Mund des Predigers
erhalten wir eine gläubige Antwort. Nicht Zufall oder Willkür, auch nicht
ehernes Schicksal, das den Lauf der Dinge nach starren Gesetzen regelt,
sondern der Mensch lebt sein Leben unter der Hand Gottes (Pred 2,24). Auch
wenn das Zifferblatt dieser Uhr menschlichen Augen verborgen ist, so darf
der gläubige Mensch wissen, dass Gott es ist, der an dieser Uhr die Zeiger
stellt. Alles Aussen wird von einem Innen getragen, das Gott selbst ist.
Vielleicht gibt es Momente in unserem Leben, in denen wir spüren, dass das
eigene Schicksal nicht eine blinde Fügung ist, sondern dass ein gütiger Gott
hinter unserem Leben steht.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche