Weg-Wort vom 25. September 2008
Ein schweres, aber segensvolles Ja
Wir begehen am heutigen Tag das Fest unsres Landespatrons, des Nikolaus von
Flüe. In den letzten Jahren wird nicht nur im Geburts- und Wohnhaus, sondern
bei den Gottesdiensten und Andachten im Ranft immer auch von seiner Gattin
Dorothee gesprochen. Diese Frau ist lange im Schatten des grossen Mannes
gestanden. Doch ist nicht gerade ihr Ja zur aussergewöhnlichen Lebensweise
ihres Gatten eine Grundlage für den Segen, der von diesem Leben ausging und
auch heute noch ausgeht?
Über das Leben der Dorothee wissen wir wenig. Bekannt von ihr ist vor allem
das grosse und schmerzlich errungene Ja-Wort aus dem Jahr 1467, mit dem sie
ihren Gatten wegziehen lässt.
Zwei unruhige Jahre gehen diesem Entscheid voraus. Nikolaus fängt an, sich
immer mehr und bewusster nach den Kräften und inneren Wirklichkeiten einer
anderen Welt auszustrecken. Je mehr sein inneres Ohr von dieser Welt
erfährt, desto unruhiger sieht er auf das vordergründige Geschehen. Oft
steht dieser Bauer des Nachts stundenlang auf, um seiner inneren Unruhe im
Gebet Herr zu werden. Oft versinkt ihm während der Arbeit die Welt der
vordergründigen Dinge. Er ist gebannt von einer Schau, in der ihm ihr
geheimes Wesen aufgeht.
Die Frage, ob er sich ganz zurückziehen müsse, um dem Ruf Gottes zu
gehorchen, reisst ihn lange hin und her. Er erwägt diese Frage nicht allein
für sich. Seine Gattin trägt sie und die ganze innere Unruhe mit ihm. Sie
betet und ringt mit ihm um Klarheit. Schliesslich kann sie ihn freigeben für
seinen Auftrag.
Was braucht es, bis eine liebende Frau, Mutter von zehn, zum Teil noch ganz
kleinen Kindern, ihrem Manne bei allem Schmerz die Zustimmung zur Trennung
und zur Hingabe des ganzen inneren und äusseren Lebens an Gott gibt? Sie
muss die volle Gewissheit gehabt haben, dass es wirklich Gott ist, der ihren
Gatten fordert.
Die Entscheidung dieses Ehepaares ist einmalig und schwer nachvollziehbar.
Aber auch unsere Zeit braucht starke Persönlichkeiten, die den Willen Gottes
über das eigene Wollen stellen können. Vielleicht müssen wir heute neu eine
Liebe lernen, die fähig ist zu verzichten, wenn Gott ruft. Auch in das Heute
hinein spricht Jesus das Wort: Wer Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter
mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig (Mt 10,37).
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