Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 2. November 2018
Post tenebras lux
Das Reformationsdenkmal in Genf ist eine recht schmucklos gehaltene ungefähr
100 Meter lange Reliefwand. In grossen lateinischen Lettern steht dort: Nach
der Finsternis Licht! - Eine Aussage, die von reformatorischem
Selbstbewusstsein nur so strotzt und an Eindeutigkeit nichts zu wünschen
übrig lässt. Ich schreibe als Seelsorger der oekumenischen Bahnhofkirche im
Zürcher Hauptbahnhof. Ich schreibe dieses Wegwort für den 2. November.
Gestern war Allerheiligen, heute Allerseelen und am Sonntag feiern wir
Abendmahl am Reformationssonntag.
Ich bin mitten in einer Zeit, die immer dunkler zu werden droht. Es sind
jedoch nicht die alten Gegensätze von Glaubenswegen, die als Licht und
Finsternis bezeichnet wurden.
Ich sehe dort Finsternis und Dunkelheit sich ausbreiten, wo Gewalt und
Menschenverachtung das Zepter übernommen haben, wo Hass und Ausgrenzung als
Rettung verkündet werden, wo Flüchtlinge zu Verbrechern gestempelt werden.
Es wird wieder so aufgerüstet, als könnte man den Klimawandel mit Panzern
und Raketen aufhalten, es wird weiterhin so gespielt, dass Geld und Macht
wie eine Dampfwalze alle Menschlichkeit platt macht.
Ja, vor dieser Kulisse sehne ich mich nach Licht und ich würde gerne in die
Welt hinausrufen: Es ist soweit, es ist Licht, die Dunkelheit machtgierigen
Mordens mit Worten und Waffen ist vorbei: Es ist Licht! Ich würde es gerne
tun, aber mir bleiben die Worte im Hals stecken. Und dann muss ich wieder an
den Stein mit den Worten "Wie weigern uns Feinde zu sein" denken. Am Eingang
zum Friedenscamp "Zelt der Völker" im besetzten palästinensischen Gebiet
liegt er. Unsere christlichen Freunde bewirtschaften Dahers Weinberg und
geben nicht auf. Da leuchtet etwas, ein Licht, das ich uns allen wünsche:
Licht und Weitblick über die eigene Nasenspitze hinaus und ein gerüttelt
Mass an neu erworbener, geschenkter, erfahrener Menschlichkeit.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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