Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!

 

Weg-Wort vom 20. August 2019

 

so habe ich dennoch nichts zu bereuen

 

"ich begriff den gott, begriff ihn zwei jahre lang und wenn ich im rauschgefühl des scheinbar endlosen gelingens, des unbeschreiblichen glücks am schluss gar zu übermütig wurde, [...] so habe ich dennoch nichts zu bereuen"

Diese Worte stammen vom Künstler Harald Naegeli. Ende der Siebzigerjahre ist er durch seine anonymen, unbewilligten Spraybilder im öffentlichen Raum in Zürich bekannt geworden.

Seine Werke galten damals als unerhörte Provokation. In dem Zitat nimmt er Bezug auf diese Zeit. Offenbar hatten die nächtlichen Aktionen, in denen seine Kunst entstand, für ihn die Qualität einer religiösen Erfahrung. Er schreibt von berauschenden Glücksgefühlen, vom Begreifen Gottes, einem endlosen Gelingen. Da ist etwas ins Fliessen geraten, das über die Ränder des Alltäglichen geht und unbegrenzt scheint.

Mystikerinnen und Mystiker schildern ihre Erfahrungen mit ähnlichen Worten: Eine Auflösung von Grenzen, das Einswerden mit dem Göttlichen!

Natürlich ist Naegeli kein Mystiker, aber sein künstlerisches Schaffen scheint ihn in vergleichbare Bewusstseinszustände  versetzt  zu haben.

Und er fordert mit seiner Kunst auf, sich im Leben nicht vorschnell begrenzen zu lassen!

Das Graffito hat er 1980 an die Westfassade der St. Cäcilienkirche in Köln gesprayt. Es heisst „Totentanz“.

Der Tod scheint einen Zugang zu versperren. Das Tor ist zugemauert. Das Tor zum Leben?

Genau: Allzu oft ist Leben „tot“ - erstarrt in Mutlosigkeit, Kompromiss, Routine. Dazu schreibt der Künstler: „Mit etwa 3000 Graffiti habe ich gezeigt wie man das Leben vor dem Tod und mit ihm als Partner im Sinne der Freiheit gestalten kann. Leben ist Tod und Tod ist auch ein Leben.“

 

Leben: Intensiv, lustvoll, gottnahe - so dass man am Ende nichts zu bereuen hat. Das wär doch was!

 

Mit freundlichen Grüssen

 

Ihre Bahnhofkirche

 

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