Weg-Wort vom 29. Juni 2010
Heute schon gelebt?
Immer mit voller Kraft vorwärts, wenn möglich sogar auf der Überholspur.
Denn ich muss dran bleiben, sonst verpasse ich am Ende noch den Anschluss.
Das wäre das Aus. Für die Karriere, für den Wohlstand, für die Familie, fürs
Image.
Die Frage ist bloss, was für ein Ziel ich dabei im Auge habe und ob es sich
wirklich lohnt, dass ich mich so abstrample.
Eher das Gegenteil ist der Fall. Unsere hektische Geschäftigkeit auch wenn
es sich um ein wichtiges Tagesgeschäft handeln sollte ist oftmals ein
Ausdruck dafür, dass wir ziellos, ja sogar orientierungslos sind. Ein Wort
von Mark Twain bringt es auf den Punkt. Als sie das Ziel aus den Augen
verloren, verdoppelten sie ihre Anstrengung.
Da kommt das Wort des Dichters Angelus Silesius gerade recht, weil es
Einhalt gebietet. Silesius fragt nämlich: Halt an, wo läufst du hin? Mit
der Frage ist auch gleichzeitig eine Aufforderung verbunden. Stopp! Hör auf
zu rennen! Weisst du überhaupt, wohin du läufst? Was soll das Gehetze?
Komm erst mal zur Besinnung! Besinn dich, ob es überhaupt Sinn macht, was
du da tust. Oder ob alles nur heisse Luft ist. Vielleicht versuchst du ja
nur, deine innere Leere zu überdecken, mit Aktivismus auszufüllen, damit du
dich nicht selber aushalten musst. So läufst du aber nicht auf ein Ziel hin,
sondern du läufst dir selbst davon.
Die Anfrage von Christa Wolf könnte uns eine Lebenshilfe sein: Obwohl zum
Innehalten die Zeit nicht ist, wird einmal keine Zeit mehr sein, wenn man
jetzt nicht innehält. Lebst du jetzt, wirklich? In diesem Augenblick, ganz
und gar? Wann, wenn nicht jetzt?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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