Weg-Wort vom 13. Februar 2007
Schicksal
Der Mitvierziger hatte nun schon das dritte Mal seine Stelle verloren: Das
scheint mein Schicksal zu sein, dass ich immer zur falschen Zeit am falschen
Ort bin. Jedes Mal waren Restrukturierungsmassnahmen der Kündigungsgrund.
Zudem erhielt er immer gute Arbeitszeugnisse. Aber langsam schien es ihm
doch ein bisschen viel Schicksal zu sein. Und er begann sich zu fragen, was
er denn dazu beigetragen habe, fand aber keine Antworten.
Die Frau schämte sich fast, so viel Glück in ihrem Leben zu haben, vor allem
wenn sie sich mit dem Schicksal anderer verglich. Sie habe es zwar nicht
verdient. Aber sie freute sich dennoch darüber und war dankbar.
Manches Schicksal, das über uns hereinbricht, können wir nicht erklären. Es
bleibt letztlich ein Geheimnis.
Es wäre aber wohl für viele Situationen zu einfach, uns mit der Erklärung
Schicksal zufrieden zu geben und uns so aus der Verantwortung zu stehlen.
Vielleicht hat manches Schicksal mehr mit uns und unserem Denken zu tun, als
wir meinen.
Denn unsere Gedanken sind wirkmächtig. Sie ziehen eine Wirklichkeit nach
sich. So war der Gedanke zu fliegen bereits der Anfang des Fliegens. So ist
der Wunsch zu lieben der Anfang der Liebe und die Sehnsucht nach Verwandlung
bereits ihr Beginn.
Es kommt darum darauf an, welchen Gedanken wir in uns Raum geben. Die Kraft
der negativen Gedanken kann unser Leben genauso stark bestimmen wie gute
Gedanken uns prägen und formen. Der Talmud, das jüdische Lehrbuch, verweist
sehr direkt auf den Zusammenhang von Gedanken und Schicksal:
"Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal."
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Hauptbahnhof Zürich
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