Weg-Wort vom 3. Juli 2012
Nähe und Distanz
Im Buch Prediger im Ersten Testament heisst es: "Es gibt Zeit, sich zu umarmen, und
Zeit, sich aus der Umarmung zu lösen." (Prd 3,5b)
Wenn wir frisch verliebt sind, hören wir das nicht gern, dass Liebe auf Dauer nur möglich
ist im Wechselspiel von Nähe und Distanz. Auch widerspricht es den romantischen
Vorstellungen von Liebe und Ehe, die uns in vielen Filmen und Liedern begegnen.
Manche Beziehung zerbricht, weil Menschen nicht gelernt haben oder nicht lernen wollen,
die Ambivalenz von Gefühlen wahrzunehmen und damit umzugehen. Dagegen möchte ich betonen,
dass es normal ist, wenn ich auch bei einer grossen Liebe weiter viel Zeit mit meinen
Freunden beim Fussball oder mit meinen Freundinnen beim Squash verbringen möchte - es ist
kein Zeichen für mangelhafte Liebe!
Es ist und bleibt wichtig, dass auch in einer Ehe, wo zwei "ein Fleisch" werden,
weiter beide ihre eigenen Wege gehen. Sie bleiben zwei Personen mit eigenen Bedürfnissen,
auch mit dem Bedürfnis, mal allein zu sein oder mit anderen etwas zu unternehmen.
Es ist normal, wenn auch manchmal schmerzhaft festzustellen, dass Gefühle und Wünsche
nicht immer zur Deckung kommen und sich nicht immer gleichzeitig einstellen.
Ungleichzeitigkeiten und unterschiedliche Wahrnehmungen auszuhalten gehört zu den
Weisheiten, ohne die eine Liebe nicht leben kann.
Zu den schönsten Erfahrungen des Miteinanders gehört das Erleben, wie auf eine Zeit der
Distanz eine neue intensivere Nähe folgen kann.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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