Weg-Wort vom 7. November 2007
Gott unser Zeitgenosse
Manchmal betrachte ich die Sanduhr, die mir den bevorstehenden Ablauf der
Kochzeit für mein Ei anzeigt. Der stets gleichmässig rinnende Sand strahlt
Gelassenheit und Ruhe aus und stimmt mich besinnlich.
Ich sehe gleichsam die Zeit verrinnen. Der Sand aus dem oberen Glas fliesst
nicht unendlich. Die Zeit wird immer weniger. Sie hat ein klares Ende. Im
Gegensatz dazu läuft meine Quarzuhr unablässig scheinbar endlos. Sie
vermittelt mir, dass es immer so weiter geht, dass die Zeit kein Ende hat.
Die Sanduhr aber führt mir deutlich vor Augen, dass die Zeit befristet ist.
Ein Tag geht zu Ende, ein Jahr, mein Leben. Nichts ist endlos. Ich habe nur
einen begrenzten Vorrat an Jahren, der mir geschenkt ist. Und ich weiss
nicht, wann für mich das letzte Sandkorn fällt.
Die Zeit hat etwas mit dem Glauben zu tun, weil Gott etwas mit der Zeit zu
tun hat (Franz Kamphaus). Gott hat Zeit unendlich. Er hat sich Zeit
genommen, für uns. Er hat sich in die Zeit eingelassen. In Jesus Christus
ist er unser Zeit-Genosse geworden.
Gott ist unser aller Zeitgenosse hier und heute, überall und zu jeder
Zeit. Er weiss um unsere Zeit. Nichts ist ihm fremd. Er kennt die
Beschwernisse, die Fallstricke und Begehrlichkeiten unserer Welt. Als
Zeitgenosse versteht er unsere Fehlerhaftigkeit und unsere Schwächen und
steht uns genossenschaftlich zur Seite. Auf ihn ist Verlass. Er weiss, was
wir brauchen, was heute Not tut. Darum können wir uns getrost auf diese Zeit
einlassen.
Als unser Zeitgenosse leidet er mit uns am ganzen Elend, der Ungerechtigkeit
und Falschheit dieser Welt. Er freut sich an jedem guten Wort, über jede
hilfreiche Tat. Er freut sich mit uns an unserem Erfolg, über jedes
Einstehen für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden in unserer Zeit.
Wir wissen nicht, wieviel Zeit uns gegeben ist. Darum ist es immer Zeit,
unsere Zeit zu verschenken uns selbst und dem, der uns gerade nötig hat.
Mit unserer Zeit geben wir nicht einfach etwas, sondern uns selber und
darin immer auch etwas von der göttlichen Liebe. Weil wir alle Zeitgenossen
Gottes sind.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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