Weg-Wort vom 22. Januar 2007
Vertrauen
Es gibt keine Probleme, nur Aufgaben, die es zu lösen gilt, habe ich
einmal gelesen. Ich kann dieser Maxime nicht vorbehaltlos zustimmen. Aber
ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie mir in meinem Leben schon oft sehr
hilfreich war.
Sie ist vor allem eine kraftvolle Lebenshaltung. Sie geht davon aus, dass
jede Problemstellung die Energie in sich trägt, die wir brauchen, um sie zu
lösen. Was uns ängstigt, mobilisiert auch unsern Mut. Was wir nicht
verstehen, fordert unsere Findigkeit, unsere Kreativität heraus.
In dem, was uns das Leben zumutet, liegt gleichzeitig das Vertrauen des
Lebens zu uns. Und in dem Masse wir uns diesem uns entgegengebrachten
Vertrauen öffnen, wächst unser eigenes Vertrauen ins Leben. Wer aber dem
Leben vertraut, ist in ihm aufgehoben, ist eingebettet in den Fluss des
Lebens, ist angeschlossen an die ihm innewohnende Kraft.
Gott mutet uns nur so viel zu, wie wir auch zu tragen vermögen, höre ich
in vielen Gesprächen. Vor allem dann, wenn Menschen an ihre Grenzen kommen
und sich damit Trost und Kraft zusprechen.
Wenn ich aber das unerhörte Schicksal und das unfassbare Leid mit ansehe,
das manche Menschen erdulden müssen, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich
selber das aushalten könnte. Und doch sind es oft gerade diese Menschen, die
diesen Satz glaubwürdig leben. Vor denen ich staunend und ehrfürchtig stehe.
Die mich mit ihrem unbändigen Vertrauen, ihrer Lebenskraft und ihrer
Zuversicht zutiefst berühren und sprachlos werden lassen.
Vielleicht ist es das unumstössliche Vertrauen, dass Gott gerade auch im
grössten Leid da ist, das ihnen eine schier übermenschliche Kraft verleiht
wie es in einem Gebet von Alexander Solschenizyn zum Ausdruck kommt:
Wie leicht ist es für mich, mit dir zu leben, Gott! An dich zu glauben, wie
leicht ist das für mich! Wenn ich zweifelnd nicht mehr weiter weiss und
meine Vernunft aufgibt, wenn die klügsten Leute nicht weitersehen als bis
zum nächsten Abend und nicht wissen, was man morgen tun muss dann sendest
du mir eine unumstössliche Gewissheit, dass du da bist und dafür sorgen
wirst, dass nicht alle Wege zum Guten gesperrt werden.
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Hauptbahnhof Zürich
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