Weg-Wort vom 30. April 2012
Entfeindung
Das kennen wir. Davon hören wir immer wieder einmal: Wenn irgendwo Gift ausgetreten ist,
rufen wir Spezialisten, die den kontaminierten Ort entgiften oder, falls nötig, den
vergifteten Boden sogar abtragen.
Wenn die Atmosphäre in einer Gruppe oder einem Team vergiftet ist, kann es sein, dass man
auch dort kaum noch atmen kann. Wie aber entgiften wir eine Situation, in der alles nur
noch zum Himmel stinkt?
Müssen dann die Giftschleudern aus der Gruppe ausgeschlossen werden, oder gibt es auch die
Möglichkeit, Menschen zu "entfeinden"? Der jüdische Fachmann für das Neue
Testament, Pinchas Lapide, hat dieses Wort geprägt.
Im Talmud, das heisst Belehrung und bezeichnet eines der bedeutendsten Schriftwerke des
Judentums, im Talmud heisst es:
Rabbi Meir habe einmal gegen zügellose Gesellen gebetet, wurde aber von seiner Frau
Beruria belehrt, dass es sinnvoller sei, für diese Gesellen zu beten, damit sie sich
bessern. Rabbi Meir nun betete tatsächlich für sie, und sie kehrten in Reue um (Berachot
10a ).
Langfristig scheint dieses Konzept der Beruria sinnvoller zu sein als der erste Reflex des
Rabbi Meir. Wer sich auf Feinde einschiesst, wird sie nämlich als Feinde behalten.
Wer aber zu lernen versucht, mit dem Gegenüber zu leben und fantasievolle Strategien der
"Entfeindung" trainiert, der hält sich und dem anderen den Weg zu einer
"versöhnten Eintracht in der Vielfalt" offen (Pinchas Lapide, Entfeindung leben,
Gütersloh 1993).
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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