Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 19. März 2020
Gottes Vorliebe für Kamele
«Was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben?»
So wird Jesus im Lukasevangelium (Lk 18, 18-27) von einem wohlhabenden Mann gefragt. Und mit «Ewigem Leben» ist nicht einfach an ein Leben nach dem Tod gedacht. Der Begriff meint in der Bibel mehr: Erfülltes Leben, Dasein im Frieden mit sich, anderen und mit Gott - auch über den Tod hinaus.
«Was muss ich tun?» lautet die Frage und Jesus nennt das entsprechende «Anforderungsprofil». Im damaligen Verständnis waren das die göttlichen Gebote. Selbstbewusst antwortet der Mann, er habe diese immer gehalten. Aber dann fordert Jesus ihn auf, noch mehr zu tun, nämlich all seinen Besitz an Arme zu verteilen. Und das ist seine Grenze. Das kann er nicht.
Damit macht Jesus deutlich: Die Frage nach dem Tun führt auf Abwege. Denn wer handelt, kann scheitern. Und - wie Jesus zeigt - er findet immer noch etwas, was besser oder radikaler sein könnte! Das aber bringt kein erfülltes Leben, sondern Druck, noch besser zu werden, sich zu optimieren - oder Selbstzweifel und Selbstvorwürfe.
Noch einmal spitzt Jesus zu: «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Reich Gottes.» Und den Menschen, die die Begegnung mitverfolgen, ist sofort klar, dass es hier nicht nur um den reichen Mann geht, sondern um jeden Menschen. «Wer kann dann gerettet werden?» fragen sie. Niemand, der seinen Wert von seiner Leistung abhängig macht. Das ist, wie wenn ein Kamel durch ein Nadelöhr gezwängt würde. Es geht nicht.
Dann der entscheidende Satz Jesu: «Was unmöglich ist bei den Menschen, ist möglich bei Gott.» Das meint nun nicht, dass es dank Gott doch möglich wird, perfekt zu sein. Damit würde der Glaube zum Selbstoptimierungsinstrument. Vielmehr: Menschen sind jenseits ihres Gelingens oder Scheiterns bereits angenommen. Durch eine Vor-Liebe, die ihnen zuvorkommt, bevor überhaupt etwas gelungen oder misslungen ist.
Eigentlich bräuchten wir nicht mehr zu «tun», als uns anzunehmen, wie wir sind. Denn Gott hat eine Vorliebe für uns Kamele.