Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 8. Oktober 2020
Notbremse
Wenn ich mit dem Zug reise, fällt mir immer wieder die Notbremse auf, die sich nach wie vor in jedem Zugwagen befindet. Und ich frage mich, ob diese Einrichtung in der heutigen Zeit sinnlos geworden ist. Die Züge sind inzwischen so schnell unterwegs, dass ich es mir nicht vorstellen kann, wie jemand rasch genug reagieren soll, um ein Unglück zu verhindern. Könnte man also die Notbremse konsequenterweise einfach weglassen und sich das Geld beim Bau der Züge sparen? Vielleicht dient sie ja heutzutage hauptsächlich dem psychologischen Zweck, dass Menschen sich sicherer fühlen, weil ihnen die Notbremse den Eindruck gibt, sie könnten im Bedarfsfall etwas tun.
Manchmal wünsche ich mir für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen obligatorisch eingebaute Notbremsen. Alles ist so sehr auf Wachstum, Beschleunigung, Produktivitätssteigerung, Optimierung und Kostenminimierung ausgelegt, dass Menschen manchmal nicht mehr mitmögen, aus dem System heraus- und durch die sozialen Maschen hindurchfallen. Politisch gesehen haben wir tatsächlich solche Notbremsen: unsere demokratischen Rechte, eine Initiative zu lancieren, ein Referenden zu ergreifen und abzustimmen.
Auf der ganz persönlichen Ebene habe ich auch manchmal eine Notbremse nötig. Etwas kann mich so emotional machen, dass ich nicht mehr überlegt handle, sondern in mir automatische Reaktionen ablaufen, die ich nachher bereue. Wenn ich das rechtzeitig merke, dann verschafft mir ein Stopp Zeit, erst einmal tief durchzuatmen und die Sache aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Von dort aus sind oft neue, heilsamere Wege möglich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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