Weg-Wort vom 4. Juli 2007
Not lehrt Beten
Wir kennen alle Situationen der Not und Verzweiflung, wo wir mit unserem
Latein am Ende sind, wo wir nicht mehr weiter wissen. In solchen Momenten
werden viele, ohne lange darüber nachzudenken, zu spontanen Betern. Not
lehrt Beten, sagt darum der Volksmund.
Nicht wenige von ihnen aber haben damit ihre Mühe. So höre ich oft Sätze
wie: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nur im Notfall bete.
Dahinter verbirgt sich meistens ein etwas einseitiges Verständnis von Gebet.
Denn Beten ist mehr als ein Gebet sprechen.
In manchen Situationen finden wir keine Worte mehr, verstummen wir vor uns
selbst. Da ist vielleicht nur noch ein innerliches Seufzen ein Seufzen,
das all das enthält, was wir nicht in Worte fassen, aber tief in unserer
Seele spüren können. Für den Apostel Paulus ist ein solches Seufzen ein
Gebet, in dem der Geist Gottes selber für uns eintritt:
So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht,
wie wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns
ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. (Röm 8,26)
Beten ist im Grunde genommen eine Haltung, eine Lebenshaltung. Wer glaubt,
weiss, dass er ständig in der Gegenwart Gottes lebt. Wir müssen darum nicht
etwas Besonderes leisten, um mit ihm in Verbindung zu sein. Denn alles, was
wir tun, tun wir vor seinen liebenden Augen. Was wir aus der Haltung des
Glaubens heraus in unserem Alltag tun oder lassen, ist gelebter Glaube, ist
darum schon immer in einer Weise Gebet.
Wer in der Not betet, betet aus dieser Grundhaltung des Glaubens heraus. Für
den tritt der Geist selber ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen
können.
Jedes bewusste Beten aber nährt, vertieft und stärkt unseren Glauben sei
es das stille Gebet, das Schweigen vor Gott oder das persönliche Gespräch
mit ihm über alles, was uns bewegt, sei es das gemeinsame Gebet mit anderen
oder die gottesdienstliche Feier.
Lebendiger Glaube braucht diese regelmässige Nahrung.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
www.bahnhofkirche.ch