Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 22. Juli 2021
Und
Dinge unterscheiden, abwägen, und gegenüberstellen können wir im Allgemeinen sehr gut. Seit Kindheit und besonders in der Schule wurde unser Gehirn
daraufhin trainiert. Es hat auch eine kreative Seite, doch im Allgemeinen dominieren die rationalen, abgrenzenden Funktionen. Wir merken es daran, wie häufig wir die beiden Wörter «oder» und «aber» verwenden.
Das «Oder» ist das Grundwort des Unterscheidens. Entweder ist etwas richtig, oder es ist falsch. «Entweder seid ihr für mich, oder ihr seid gegen
mich!» «Tertium non datur» heisst es in der Logik: Etwas Drittes gibt es nicht. Die Gefahr besteht, dass sich das Denken mehr und mehr verengt, und andere Möglichkeiten gar nicht mehr in Betracht gezogen werden.
Das «Aber» hat eine ähnliche Wirkung. Es erzeugt Gegensätze bzw. Einschränkungen. «Es wäre schon gut, aber nicht so.» Wieder erscheinen zwei Seiten,
die nicht zusammenzupassen scheinen. Im Kopf geschieht eine Trennung. Gemeinsamkeiten und ganz neue Lösungen rücken in weite Ferne.
Das unterscheidende Denken ist eine grosse Errungenschaft – und zugleich wird es selbst etwas Einengendes. Es gibt ein wirksames Mittel dagegen:
Dieses besteht aus dem kleinen Wörtchen «und» sowie etwas Übung und Geduld. Jedes Mal, wenn die Wörter «Oder» bzw. «Aber» in den Gedanken erscheinen, ersetze sie durch ein «Und»! Etwas ist richtig, und in gewisser Hinsicht kann es auch falsch sein. Etwas ist
an sich gut, und so, wie es jetzt ist, reicht es noch nicht. Anfänglich wird das Irritationen auslösen. Diese haben etwas Heilsames: Sie öffnen den Blick, machen neugierig, und setzen mit der Zeit eigene kreative Fähigkeiten frei, aus denen ganz Neues entsteht.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild von ElisaRiva auf Pixabay
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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