Weg-Wort vom 22. November 2006
Ersatz- oder Lenkrad?
Manche Menschen haben ein schlechtes Gewissen, weil sie oft nur beten, wenn
es ihnen nicht gut geht. Dazu die folgende Geschichte:
Ein Mönch sass im Taxi und kam ins Gespräch mit dem Fahrer aus Afrika: Mit
den Christen ist es wie mit dem Auto. Manche benutzen den Glauben wie ein
Ersatzrad. Wenn in ihrem Leben ein Unglück kommt, dann denken sie: Jetzt
muss mir mein Glaube helfen. Was ist denn für Sie der Glaube? fragte der
Mönch. Der Fahrer erwiderte: Das Lenkrad, mein Herr, das Lenkrad!
Ehrlich gesagt, ich bin gerne mein eigener Lenker in meinem Leben, mein
eigener Herr und Meister. Ich bin aber auch bereit, alles dafür zu tun, was
mir möglich ist, wozu meine Kraft reicht und meine Disziplin mich nicht im
Stich lässt:
Ich bewege mich viel und treibe etwas Sport. Ich achte auf eine ausgewogene,
gesunde Ernährung. Ich kümmere mich um meine persönliche Psychohygiene, um
die Balance zwischen Anspannung und Loslassen, zwischen Beruf und Freizeit.
Ich bilde mich lebenslang weiter, beruflich und in meinem persönlichen,
privaten Leben. Ich pflege meine Beziehungen und geniesse vieles von dem,
was ich tue und erlebe.
Aber ich weiss auch: Das allein reicht nicht. Ich kann nicht alles im Griff
haben! Und muss es auch nicht. Ich kann hoffen, dass das Leben selbst und
das Schicksal mitlenken. Und ich kann glaubend Gott vertrauen, dass er mein
Leben in seiner Hand hält und mitlenkt. Auch wenn ich nicht wirklich weiss
wie. Und ich ihn immer wieder nicht verstehe.
Ich jedenfalls bin froh und dankbar, dass ich meinen Alltagskarren ab und zu
loslassen und in andere Hände legen, dass ich mich selber und andere immer
wieder auch Gott anvertrauen kann.
Ich weiss zudem: Trotz aller Vorsorge und Planung sind in jedem Leben kleine
und grosse Pannen unvermeidlich, selbst verschuldete wie auch
schicksalhafte. Gerade in Situationen, in denen ich nicht mehr weiter
wusste, wo meine Kräfte mich im Stich liessen, war es oft der Glaube, der
mich nicht verzweifeln liess. Der mich trug, als ich selbst es nicht mehr
vermochte.
Der Glaube ist eine kraftvolle Lebenshaltung als Ersatz- und als Lenkrad!
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche