Weg-Wort vom 23. Juni 2006
Darf ich die Kapelle betreten? (Psalm 15)
Nicht selten stellen Besucher und Besucherinnen unseren Freiwilligen diese
Frage. Ja, natürlich! Für Sie ist sie doch da! So lautet dann die Antwort.
Woher kommt diese Unsicherheit? Nur weil Menschen vielleicht schon lange
nicht mehr eine Kapelle oder Kirche betreten haben? Das sind doch die
gleichen Menschen, die in ihrem Alltag so viele Dinge mutig und
selbstverständlich anpacken, die da und dort auch einmal eine Grenze
überschreiten, weil es ihnen Sinn zu machen scheint. Woher also diese
Unsicherheit?
Herr, wer darf deine Wohnung betreten, wer auf deinem heiligen Berg
bleiben? (Ps 15.1) So fragten also schon die Menschen vor über 2000 Jahren.
Und vielleicht hängt unsere Unsicherheit mit der Antwort des Psalms
zusammen: Der untadelig lebt, der Gerechtigkeit verwirklicht, der es
aufrichtig meint. (Ps 15.2)
Und das wird dann noch weiter ausgemalt: der keinen Rufmord treibt, den
Nächsten nicht zu nahe tritt, die Nachbarn nicht bloss stellt, sich nicht
für eine schlimme Sache ausspricht, der nicht fälscht, die Leute nicht mit
Zinsen schröpft, der nicht Schmiergeld nimmt, um Unschuldige rechtlos zu
machen.
(Ps 15.3-5)
Wer eine Kapelle, einen Raum der Stille, eine Kirche, eine Synagoge, eine
Moschee, eine Pagode, oder wie auch immer die spirituellen Räume heissen
mögen, betritt, der wird mit sich, seinem Leben, seiner Art zu leben und dem
Zusammenhang, in dem dieses Leben steht, konfrontiert. Und gleichzeitig ahnt
er, dass ihm das Betreten eines solchen Ortes, ganz einfach hilft und gut
tut.
Darf ich? Manchmal braucht das einfach das ermutigende Ja!
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche