Weg-Wort vom 21. Juni 2006
Neu geboren
Etwas stimmte nicht mehr. Das spürte sie schon seit längerer Zeit. Aber sie
wollte nicht hinsehen. Sie hatte Angst vor der Wahrheit. Sie wollte sich
nicht zugestehen, dass ihr neuer Freund nicht der richtige für sie war. Es
war zu schön, nicht mehr allein zu sein.
Manchmal ahnen wir, dass es so nicht weitergehen kann. Wir spüren, dass sich
in uns etwas Anderes, etwas Neues anbahnt. Wir wissen vielleicht nicht so
genau, was es ist. Aber es verunsichert uns. Es macht uns Angst. Vielleicht
ist es eine Einsicht über uns selbst, die uns nicht gefällt. Vielleicht ist
das Neue mit Schmerzen verbunden, weil wir Altes und Vertrautes loslassen
müssen. Wir möchten darum lieber so weiterleben wie bisher. Und doch drängt,
was uns innerlich umtreibt, immer machtvoller ans Tageslicht.
Wenn in uns etwas neugeboren werden will, ist es zuerst meistens
schmerzlich, wie bei der Geburt eines Kindes.
In jeder Neugeburt aber liegt auch eine Verheissung. Die Verheissung
nämlich, dass wir nicht festgelegt sind auf das Vergangene, auf unsere
Lebensgeschichte. Dass wir nicht Gefangene unserer bisherigen
Verhaltensmuster, unserer vergangenen Enttäuschungen und Verletzungen sind.
Es ist die Verheissung, dass stets ein Neuanfang möglich ist, dass wir fähig
sind, auch aus Finsternis und Trauer neu geboren zu werden.
Es ist zudem die Verheissung, dass wir nicht alles allein erarbeiten müssen,
dass Gott selbst in uns Neues wirkt. Durch seinen Geist werden wir immer
wieder neu geboren, durch Schmerzen und durch Lust hindurch unser Leben
lang, bis wir im Tod für immer in Gott hinein geboren werden.
Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von
geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird ... Ihr
müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will. Du hörst ihn
brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So
geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird. (Joh
3,6-8)
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
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