Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
 
Weg-Wort vom 11. Januar 2021
 
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Auf der Suche nach einer Idee für dieses Weg-Wort blättere ich in einem Andachtsbuch mit Gedanken für jeden Tag in diesem Jahr. Doch keiner der Texte spricht mich an. Sie wurden in guter Absicht vor mehr als einem Jahr geschrieben. Die Schreibenden hatten keine Ahnung, inwiefern sich der heutige Alltag von demjenigen von damals unterscheidet. Die gut gemeinten Worte erreichen mich nicht. Ich finde sie oberflächlich.
Doch dann bleibe ich an einem fünfhundert Jahre alten Text von Martin Luther hängen. Er hat ihn für die Menschen seiner Zeit aufgeschrieben. Trotzdem kann ich heute etwas damit anfangen.
«Wenn man im Kreuz und Leiden ist, so wird alle Zeit zu lang und macht Ungeduld. Das Leiden ist nicht schwer, wenn einer das Ende seines Leidens absehen kann. Es denkt einer: Es ist eine böse Stunde, ein böser Tag, eine böse Woche, danach wird’s besser. Aber wenn man das Ende nicht sieht, so ist dann alles Leiden unerträglich, und wenn es gleich nur eine Viertelstunde währet.
Alles Leiden der Frommen ist gering und währet nur einen kleinen Augenblick, weil es vor Gott bestimmt ist, dass es nicht immer währen soll.
Wir sollen lernen, auf das Wort und Gottes Willen zu sehen, alsdann werden wir mit geduldigen Herzen alles erleiden, wie schwer es auch immer sein mag.
Wir sollten all unser Unglück nicht anders ansehen noch annehmen, als zündete uns Gott damit ein Licht an, wodurch wir seine Güte und Wohltat in andern unzähligen Stücken sehen und erkennen möchten, dass wir uns liessen dünken, es wäre solch gering Übel, kaum ein Tröpfchen Wasser in ein grosses Feuer oder ein Fünkchen in ein grosses Wasser gefallen.»
Bildquelle: Wikimedia.commons
 
 
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