Weg-Wort vom 9. Februar 2007
Gnade
Ich freute mich schon auf mein Zuhause. Nur noch einige wenige Kurven. Da,
hinter der nächsten, kam mir ein Auto überholend auf meiner Spur entgegen.
Instinktiv trat ich einen Moment voll auf die Bremsen und steuerte meinen
Wagen nach rechts nah an die Mauer. Um Haaresbreite raste das Auto an mir
vorbei. Im Rückspiegel sah ich, wie der nachfolgende Wagen gerade noch
hinter mir zum Stehen kam. Langsam fuhr ich zu einer Stelle, wo ich
gefahrlos halten konnte. Jetzt erst holte mich der Schrecken ein. Ich
zitterte am ganzen Körper. Das hätte schlimm ausgehen können.
Habe ich in dieser Situation einfach Glück gehabt? War es reiner Zufall
oder vielleicht Schicksal, dass es gerade so ausging? Wie auch immer ich
weiss es nicht. Es wird für mich immer ein Geheimnis bleiben!
Nur eines weiss ich sicher: Ich war in diesem Moment und bin es noch heute
einfach unendlich dankbar! Für das Geschenk des Lebens. Denn ich hatte
erlebt, wie schnell mein Leben von einer Sekunde auf die andere zu Ende sein
könnte.
Das biblische Wort Gnade kommt meinem Gefühl der tiefen Dankbarkeit am
nächsten. Ich habe es wie ein unverdientes Geschenk des Himmels erfahren,
als eine Gabe des Lebens. Gott hat es gut gemeint mit mir.
Ähnlich ist es mit der Gnade des Glaubens. Glaube ist nicht ein
Fürwahrhalten von Glaubenssätzen. Er ist keine Leistung, kein Verdienst
von mir. Er ist vielmehr ein unverdientes Geschenk Gottes, von dem ich mich
ergreifen lasse, das mich in meinem ganzen Menschsein erfasst. Glaubend
weiss ich mich von Gott gehalten. Kann ich mich ihm ganz anvertrauen. Weiss
ich, dass er es gut mit mir meint. Dass er mein Heil will.
Warum ich diesen Glauben, dieses Vertrauen in Gott habe, weiss ich nicht
wirklich. Das wird für mich immer ein Geheimnis bleiben, das Geheimnis
seiner Gnade, ein unverdientes Geschenk.
Was ich aber sicher weiss, ist: dass mein Glaube mir oft auch dann Mut und
Kraft verleiht, wo ich sonst schon längst aufgegeben hätte. Dass er mein
Herz und meinen Geist auch da öffnet, wo ich mich verschliessen möchte. Dass
er trotz allem immer wieder neu Leichtigkeit und Freude in meinen Alltag
bringt.
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Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
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