Weg-Wort vom 11. Mai 2006
Kraftvolle Hoffnung
Vor etwas mehr als einem Monat hat der bekannte evangelische Theologe Jürgen
Moltmann seinen 80. Geburtstag gefeiert. Dabei ist vor allem auch seiner
Theologie der Hoffnung gedacht worden, eines Buches, das 1964 erstmals
erschienen ist und bis heute etliche Neuauflagen erlebt hat. In diesem Buch
hat er gleichsam das Wächteramt der Kirche übernommen und sie daran
erinnert, den kommenden Gott nicht aus den Augen zu verlieren.
Jürgen Moltmann hat in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die
damalige gesellschaftliche Aufbruchsstimmmung aufgenommen und rein weltliche
Hoffnungskonzepte im Horizont des christlichen Glaubens gedeutet. Er
betonte, dass die Hoffnung, vom Glauben ins Leben gerufen, keine Vertröstung
auf ein Jenseits ist, sondern eine Kraft, die jetzt schon wirkt.
In diesem Geist hat er immer wieder Zeitfragen von der Ökologie über die
Ökonomie bis zur Ökumene kritisch aufgenommen und vom Glauben her,
Antworten darauf versucht. Dabei hat er die Auffassung vertreten, dass der
Horizont der Hoffnung nicht wie ein schöner Regenbogen über Geschichte und
Welt steht, sondern sich aus dem, was Menschen bewegt, worunter sie leiden
erschliesst. Hier ist die Kraft, die aufbrechen lässt in eine ungewisse
ukunft. Hoffnung entsteht dort, wo Jesus aus dem Tod ersteht und die Seinen
in ein neues Leben mitzieht.
Die Aussagen von Jürgen Moltmann sind aktuell geblieben, gerade auch für
unsere Tage, in denen so viel Resignation, Hoffnungslosigkeit und Angst da
ist. Auch heute ist eine Bewegung vonnöten, die persönlichen Glauben und
gesellschaftlich-politisches Handeln immer neu auf den kommenden Gott
ausrichtet. Der Gott, dessen Kommen am Ende der Geschichte erwartet wird,
ist jetzt schon da. Er ist da, wo Menschen leiden und seufzen, wo sie nicht
mehr weiter wissen. Er ist aber auch die Kraft, die Menschen aufstehen und
sich für eine menschlichere, gerechtere und friedvollere Welt einsetzen
lässt.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche