Eigentlich zeichnet es uns Schweizerinnen und Schweizer aus, dass wir eine Meinung haben. In Abstimmungen und Wahlen wird sie ja immer wieder befragt. Und es wird auch geschätzt, wenn wir im Vorfeld an Diskussionen teilnehmen, unsere Meinung sagen und allenfalls, wenn wir Besseres erkannt haben, sie auch anpassen und ändern.
Meine Eltern haben grossen Wert darauf gelegt, dass wir jederzeit und immer unsere Meinung sagten. Das galt auch, wenn andere Menschen bei uns zu Besuch waren. Es wurde uns nie geboten, ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Und jetzt höre ich in Gesprächen immer wieder einmal: "Darüber spricht man nicht!" "Das ist ein Tabu-Thema!"
Wo ich solche Äusserungen höre, läuten bei mir alle Alarmglocken. Wenn Nicht-Darüber-Sprechen und Tabus zu Leiden führen, dann ist daran etwas falsch. Dann legt sich mir schnell ein Machtmissbrauch nahe. Vermeintlich stärkere Menschen, die niemand in Frage stellen soll, schützen sich so unlauter.
Nein! So nicht! Ich möchte ihnen Mut machen, keine Tabu-Themen zuzulassen, über alles zu sprechen, das ihnen wichtig ist, das für die Klärung wichtig ist! Ihre Meinung ist gefragt und wichtig! Achten sie nur darauf, wie sie darüber sprechen. Der Ton macht immer noch die Musik. Und wo sie abgeblockt werden, da kann sich dann der Ton etwas verändern, da kann auch einmal gelten: Steter Tropfen höhlt den Stein!
Mündige Bürger sind auch Menschen, die in ihren Beziehungen, Familien und Verwandtschaften mündig sind, sich also für das, was sie sehen und verstehen, wehren. Zum Mündigsein gehört auch das faire Streiten - und - wenn nötig - das Eingehen von Kompromissen.