Ein kirchliches Kreativheft flattert ins Haus. Es hat Engel zum Thema und meine Erwartungen sind nicht hoch. Wann immer es um Engel geht, wird gefragt oder erzählt, wann einem einmal ein Engel in Menschengestalt begegnet ist.
Doch es kommt anders. Die Einstiegsfrage lautet: «Wie stellen Sie Sich einen Engel vor?»
«Gross», ist mein erster Gedanke, dann «mutig», «zur richtigen Zeit am richtigen Ort», «wachsam», «von Gott geschickt», «er beschützt die Kinder», «er rettet Leben», «heilig», «Engel heissen Gabriel, Michael oder Rafael», «er bringt Botschaften» – da denke ich besonders an den Weihnachtsengel. Immer mehr fällt mir ein.
Die nächste Frage überrascht mich noch mehr:
«Wann waren Sie schon einmal so ein Engel für jemanden?» Es wird nicht gefragt, ob ich schon einmal ein Engel war. Es wird vorausgesetzt, dass die anderen Menschen, die das Heft lesen und ich einmal die Kriterien für einen Engel erfüllt haben.
Die Erinnerung kommt ganz leicht. Ein befreundetes Ehepaar steht mitten im Kinderplanschbecken und unterhält sich. Neben ihnen stehen ihre kleine, zwei Jahre alte Tochter. Um sie herum ist Toben, Planschen, Geschrei. Da fällt das eine Mädchen um, geht unter von einer Welle getroffen. Ihre Mama merkt nichts und ich renne los und ziehe die Kleine aus dem Wasser. Erst da merkt ihre Mutter, was passiert ist. Unsere Töchter sind heute gross. Manchmal, wenn wir voneinander hören, sagt sie: «Du warst damals der Schutzengel meiner Tochter.»
Wie sollte ich glauben, dass Gott mir andere Menschen als Engel an meine Seite stellt, wenn ich nicht glauben könnte, dass das Umgekehrte auch gilt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
info@bahnhofkirche.chwww.bahnhofkirche.chwww.offene-tuer.net
https://www.bahnhofkirche.ch/weg-wort-abonnieren-abbestellen/