Weg-Wort vom 18. Mai 2012
Ängste und immer wieder Ängste
Sie machen eng. Das Herz wird eng, wir werden engherzig. Auch das Atmen
fällt dann schwer. So machen Ängste aus uns Wesen, die wie ferngesteuerte
Roboter oder Hampelmänner agieren. Wir tun nur noch, was unsere Ängste uns
befehlen. Es wäre ein wunderbares Theater, das sich uns präsentiert: Von
Angst Durchtränkte agieren so voraussehbar und trotzdem versuchen sie
verzweifelt die Maske der Eigenständigkeit aufzubehalten. Es wäre ein
wunderbares Theater, wenn dabei nicht offenkundig zu sehen wäre, wie Ängste
einen Menschen füllen und alles Menschliche aus ihm herauspressen. Das sind
keine psychisch Kranken, die ein solches Theater aufführen, sondern ganz
normale Menschen im ganz normalen Alltag - nur sie krümmen sich vor den
Ansprüchen anderer, verweigern sich eigenes Denken und Selbständigkeit, eine
Selbständigkeit, zu der uns Gott geschaffen hat. Denken Sie nur an den
zweiten Schöpfungsbericht.
Selbständigkeit kostet, Verantwortung übernehmen kostet: ich muss lernen für
das einzustehen, was ich tue. Aber ich bin selbständig und nicht ein Sklave
meiner Ängste.
Wenn ich Gottes Wort an uns recht verstehe, will es uns aus unsern Ängsten
heraushelfen und uns nicht in sie hineindrücken. In der Zeit des Abschieds
sagt Jesus zu seinen Jüngern im Johannesevangelium (16,33): "In der Welt
habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden."
Gott weiss um unsere Ängste, und wie! - Aber er bleibt nicht bei ihnen
stehen und vor allem füllen sie ihn nicht. Er überwindet die Welt und sagt
uns damit nichts anderes, als dass er den Grund für all unsere Ängste hinter
sich gelassen hat und uns anderes erfüllen kann, als unsere Ängste.
Nachfolge könnte so sein, dass wir uns von ihnen verabschieden, wollen sie
uns doch nur unsere Liebe und unsere Freude und unsere Kraft nehmen. Wollen
Sie das wirklich zulassen?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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