Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 18. Mai 2021
Fülle in der Leere
Normalerweise geht jemand in ein Museum um etwas anzuschauen: Bilder, Gegenstände, ganze Installationen. Anders ist es zurzeit im Kunsthaus Zürich. Da kann man die leeren Räume des neuen Kunsthauses
besichtigen. Allerdings, so ganz leer sind die Räume nicht: Verteilt auf das ganze Haus gibt es acht Bronzeglocken, welche mit ihren Klängen das Haus erfüllen.
Für einmal gehe ich ins Museum um zu hören, zu erfahren, zu spüren: Den Klang der unterschiedlich grossen Glocken, den leeren Raum, der lebt durch die Besucherinnen und Besucher, die Vibration
des Glockenschlags und den Geruch des Neubaus. Was für einen Bezug zu Glocken haben wir eigentlich heute?
Die Glocken aller Stadtkirchen läuten jeweils am Samstag den Sonntag ein und verkünden auch wieder dessen Ende. Mancherorts auf dem Land wird noch geläutet, wenn jemand gestorben ist, am Klang
der Glocke wussten wir jeweils, ob es ein Mann oder eine Frau war.
Das Wetterläuten kündete einen Sturm an und ermahnte die Menschen, auf ihre Feuer acht zu geben.
Glocken sind etwas, das das Spirituelle mit dem Säkularen verbindet. Immer wenn ich den Klang einer Glocke höre, klingt in mir eine Saite der Ewigkeit an. Eine gegossene Glocke – so sie keinen
Schaden nimmt - behält ihren Ton ein Leben lang. Dieses archaische einer Glocke, das Gegossen-werden, das Zusammenspiel von Metall und Form, der Klang, ihre Geschichte, all das macht es aus, dass in einem leerer Museumsraum Fülle erfahrbar wird.
Diese Fülle des Lebens verkünden uns die Glocken in unserem Alltag. Was sagen uns diese Klänge, wozu rufen sie uns auf, was erzählen sie uns?
Vielleicht haben Sie ja Lust sich auf eine Klangreise zu begeben, im Kunsthaus ist das noch bis zum 24. Mai möglich, danach aber sind weiterhin Glocken in unserem Umfeld zu hören, wir müssen nur
auf sie achten, sie erzählen uns täglich ihre Geschichten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich