Das Weg-Wort - Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
 
Weg-Wort vom 18. Januar 2021
 
Normal
 
Immer wieder frage ich mich, was ist normal? Und wer oder was bestimmt den Massstab für Normalität?
Zum Beispiel im Zug:
Nicht sehr viele Abteile sind besetzt. Man hört ein Stimmengewirr. Viele sprechen in ihr Telefon. Einkaufslisten werden bereinigt, Einladungen für Nachtessen ausgesprochen, Verabredungen getroffen und vieles mehr.
 
Im gegenüberliegenden Abteil sitzt jedoch ein Mann ohne Handy. Er ist allein. Trotzdem redet er. Er redet mit Gott, mit seiner Mutter, die wohl längst verstorben ist und zwischendurch gibt er Reiseberichte zum Besten.
Ist das normal?
Mir gefällt der verwirrte Mann besser, als all die Menschen, die an ihren Handys hängen. Ich kann zwar auch nicht mit ihm reden. Und doch faszinieren mich seine Art und Weltsicht und werfen Fragen auf.
 
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte unbeschwerter, befreiter leben.
Aber was denken die anderen? Oder vielmehr, was erwarte ich von mir? Zwänge, Normen sind kultur- und zeitabhängig und ganz viele Konventionen bürden wir uns selber auf.
Wie wir etwas betrachten, wie wir etwas sehen, beurteilen, erleben, hat immer sehr viel mit uns, mit unserer Erziehung und unserem Leben zu tun. Stellen Sie sich vor, Sie wären statt in Europa auf dem schwarzen Kontinent geboren. Statt als Frau als Mann oder umgekehrt…
 
Wenn wir uns bewusst sind, dass unsere Sicht der Dinge nicht die einzige ist, dass unsere Sicht der Dinge geprägt ist, von uns und unserem Umfeld, dann gelingt es vielleicht auch, Normalität zu relativieren. Dann gelingt es vielleicht auch, Normen zu sprengen. Ein Rad schlagen vor Freude im öffentlichen Raum oder barfuss durch den Schnee laufen…. Unsere ureigenen Spuren im Leben hinterlassen.
 
 
Mit freundlichen Grüssen
 
Ihre Bahnhofkirche
 
Bildquelle: pixabay.com
 
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