Weg-Wort vom 22. Mai 2007
Nicht ängstlich sorgen
Sich absichern wollen ist heute eine gängige Verhaltensweise. Für alles
Mögliche und Unmögliche können wir uns versichern. Das Bankkonto muss immer
mehr steigen. Bei Ausverkäufen wird in den Wühlkörben herumgesucht und
selbst Unnötiges in grossen Mengen gehamstert.
Im Ersten Testament wird uns eine spannende Geschichte des Volkes Israel
erzählt. Nach seiner Befreiung aus den beherrschenden Händen der Aegypter
wird das Volk in die Wüste geschickt. Die Israelitinnen und Israeliten haben
nichts, wovon sie sich ernähren können. In Aegypten hatten sie wenigstens
gut gefüllte Fleischtöpfe! So murren sie gegen die Anführer und im stillen
auch gegen Gott. Dieses stille Murren bleibt nicht ungehört. Als die Nacht
schwindet und der Morgen aufsteigt, erkennen sie auf dem Wüstenboden etwas
Schuppiges, fein wie Reif auf der Erde. Staunend rufen sie, was das denn
sei. Eigentlich ist es etwas Normales: Sekret der Tamariskenstaude. Aber das
Volk sieht darin ein Wunder: mitten in der Wüste finden sie etwas zum Essen!
Sie nennen es Manna, Brot vom Himmel, eine Gabe von Gott. Dieser
Manna-Regen beglückt sie so sehr, dass sie vorsorgen möchten. Und dies,
obwohl Gott sie wissen liess: Sammelt davon nur soviel, wie jeder zum Essen
braucht, aber nicht mehr! Keine übertriebene, ängstliche Sorge für morgen
und übermorgen. Einige aber hamstern trotzdem. Sie raffen und wollen horten.
Sie vertrauen nicht der Verheissung der sorgenden Güte Gottes, dass das
Manna täglich neu da sein wird. Vielmehr wollen sie sicher gehen, dass sie
nicht weiter hungern müssen. Die Bibel stellt dazu lapidar fest: Und das
stank! (vgl. Ex 16,1-20).
Das gilt auch für heute. Es gibt ein Raffen und Sorgen, das stinkt, das den
Blick für das Wesentliche trübt. Wer sich zu sehr absichert, verpasst das
Wesentliche des Augenblicks. Die Erfahrung der Israeliten in der Wüste
möchte unser Vertrauen stärken, dass Gott uns immer wieder gibt, was wir zum
Leben brauchen. Dabei geht es nicht nur um das Manna gegen den Hunger des
Leibes, sondern den Hunger der Seele. Es ist eine Frage der Optik, ob wir
das tägliche Manna auch sehen im aufmunternden Blick eines Menschen, im
guten Rat eines Freundes oder einer Freundin, in einer wunderschönen Blume
am Wegrand... und im tiefen Wissen, dass Gott immer und überall da ist.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
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