Das Weg-Wort – Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich
Weg-Wort vom 5. November 2021
Ohne Worte
Vom indischen Jesuiten Anthony de Mello stammt eine kleine Geschichte, die ich hier nacherzähle:
«Ein einfacher Bauer machte sich nach einem langen Markttag auf den Heimweg. Unterwegs bemerkte es, dass er sein Gebetbuch zu Hause liegen gelassen hatte.
Als dann auf dem Weg mitten im Wald noch ein Rad seines Karrens in die Brüche ging, war er sehr betrübt, und zwar weniger über die Panne, als vielmehr darüber, dass er den Tag ohne seine gewohnten Gebete würde beenden müssen.
Er wurde still und versuchte zu beten: ‘Mir ist heute ein Missgeschick geschehen, guter Gott. Ich habe in der Früh mein Gebetbuch daheim vergessen, und
mein Gedächtnis ist so schlecht, dass ich kein einziges Gebet auswendig sprechen kann. Deshalb werde ich dies tun: Fünfmal werde ich langsam das ganze ABC aufsagen, und ich bitte dich, der Du alle Gebete kennst, aus den Buchstaben die richtigen Worte zusammenzusetzen.’
Die Bitte des Bauern gelangte zu Gott, und als er sie vernahm, sagte er zu seinen Engeln: ‘Von den Gebeten, die heute an mich gerichtet wurden, ist mir
dieses eine ganz besonders lieb. Denn es kommt aus einem schlichten, ehrlichen und vertrauensvollen Herzen.’»
In der Bergpredigt leitet Jesus das Vaterunser ein mit den Worten: «Euer Vater weiss, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet.» Manchmal fehlen uns die
Worte für unsere tiefsten Anliegen. In der göttlichen Liebe sind sie dennoch aufgehoben. Unsere Wünsche und uns selbst vertrauensvoll Gott zu überlassen und daraus zu handeln, ist der Schlüssel zu seinem Reich.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Bild von Alicja auf Pixabay
© Ökumenische Bahnhofkirche im Hauptbahnhof Zürich
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