In
jeder Nacht leuchtet ein Licht
In
meinem Bekanntenkreis gibt es einige Menschen, die an Depressionen leiden, auch
nahe Freunde und Freundinnen. Ihre immer wieder kehrende Traurigkeit
beschreiben sie wie einen Weg durch die Nacht. Wie das Fallen in ein dunkles
Loch. Als würden sich schwarze Schatten über das Leben legen und alle Farben
verschlucken. Im Innern wird es ganz finster.
Es sind Bilder der Dunkelheit. Ein Freund
von mir, der lange Zeit suizidgefährdet war, hat mir einmal das Bild eines
Sterns geschenkt. Er hatte ihn in einer der langen Nächte gemalt, in denen er
keinen Schlaf fand. In ihnen wurde ihm der Stern zu dem Stern, der zur Krippe
führt, zu einem Hoffnungssymbol, an dem er sich festhielt und festhält in
mancher Nacht.
Menschen, die einmal Ähnliches erlebt haben,
werden verstehen, was ihm das bedeutet: wenn inmitten der Dunkelheit doch ein
Licht aufgeht, das am Leben hält. Vielleicht nicht viel mehr. Aber doch
wenigstens das.
Wir müssen nicht depressiv sein, um solche
Nächte zu kennen. Dann ist es kein Trost zu wissen, dass alle in Zeiten ihres
Lebens durch Dunkelheit gehen. Aber es kann ein Trost sein, dass Menschen die
Erfahrung gemacht haben, dass selbst in ganz undurchdringlicher Nacht noch ein
Licht aufleuchten kann, das einen führt. Seit
Weihnachten gibt es keine Nacht mehr ohne Stern.
Und das Licht, das uns leuchtet, macht uns selber zu Lichtträgern. Ein
alter Rabbi fragte eines Tages seine Schüler, wie man die Stunde bestimmt, in
der die Nacht endet und der Tag beginnt. Ist es, wenn man von Weitem einen Hund
von einem Schaf unterscheiden kann?, fragte einer der Schüler. Nein, sagte der
Rabbi. Ist es, wenn man einen Dattelbaum von einem Feigenbaum unterscheiden
kann?, fragte ein Zweiter. Nein, sagte der Rabbi.
Aber wann ist es dann?, fragten die Schüler. Der Rabbi antwortete: Es
wird Tag, wenn du in das Gesicht irgendeines Menschen blicken kannst und in ihm
deinen Bruder oder deine Schwester erkennst. Bis dahin ist die Nacht noch bei
uns.