Weg-Wort vom 9. Februar 2010
Maskenwahl
Die vielgestaltigen, fantasievollen Masken und Verkleidungen der
Fasnachtszeit erfreuen mich stets von neuem. Manchmal frage ich mich dabei,
wie weit diese Masken jeweils auch ein Stück des wahren Gesichtes derjenigen
zeigen, die sie tragen.
Wir alle tragen aber nicht nur zur Fasnachtszeit Masken. Wir brauchen sie
auch im Alltag. Zu unserem Schutz. Wir können uns nicht überall so offen
zeigen, wie wir wirklich sind, mit all unseren Schwächen und vor allem
unserer Verletzlichkeit.
Allerdings sollten wir uns dabei immer auch die Frage stellen: Verstecken
wir uns manchmal nicht all zu sehr hinter unseren Alltagsmasken? Gerade
dann, wenn sie für unseren Schutz eigentlich gar nicht nötig sind? Wie zum
Beispiel:
Hören Sie manchmal auch das übertriebene Lachen, hinter dem ein Mensch seine
Enttäuschung versteckt?
Haben Sie sich auch schon insgeheim geschämt, Worte zu sagen, die Sie
eigentlich gar nicht meinen? Ein nichtssagend-freundliches Gesicht gemacht,
obwohl es Ihnen gar nicht danach zumute war?
Sicher haben Sie schon das verkrampfte Gesicht eines Menschen wahrgenommen,
der damit seine Unsicherheit oder seine Ängste überspielen möchte!
Und wie geht es Ihnen mit den vielen kleinen Lügen, mit denen wir Menschen
einander begegnen? Die uns das Alltagsleben zu erleichtern scheinen? Und wie
mit den Spielen, die da heissen: Ich merke nichts. Ich habe ein dickes Fell.
Ich muss immer glücklich und zufrieden wirken. Um ja angesehen und beliebt
zu sein?
Manchen Menschen hilft die Fasnachtsmaske, ihre künstlich aufrecht
erhaltenen Alltagsmasken für einmal fallen zu lassen. Mit ihr brauchen sie
nicht mehr ihr Gesicht zu wahren. Mit ihr können sie einmal so richtig
unbekümmert, fröhlich, närrisch und ausgelassen sein! So eben, wie sie
vielleicht eigentlich sind?
Die Fasnacht ist eine gute Gelegenheit, hinter unser Alltagsgesicht zu
schauen. Und uns dabei möglichst von ehrlichen Aussagen unserer Nächsten
helfen zu lassen. Wahrscheinlich haben sie unsere Masken und das dahinter
liegende Gesicht ja schon längst viel deutlicher wahrgenommen als wir
selbst.
Vielleicht werden wir überrascht und erstaunt sein, wie erlösend und frei
sich das anfühlt, unser wahres Gesicht vor uns selbst und anderen nicht mehr
verbergen zu müssen. Und wie sehr Echtsein unsere Beziehungen vertieft.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorgenden der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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