Weg-Wort vom 2. Oktober 2009
Ich will dem Herrn von ganzem Herzen danken,
den heiligen Gott mit meinem Lied besingen.
Durch seine Gaben sorgt er für mein Leben. (Ps 103,1.3a)
Wenn ich um diese Jahreszeit an meine Kindheit zurückdenke, spüre ich sofort
wieder diesen süsslich bitteren Geruch von verbranntem Kartoffelkraut in
der Nase, der jeweils im Frühherbst in der Luft über dem Dorf hing. Und noch
heute sehe ich die festlich gekleideten Mädchen vor mir, wie sie mit Körben
voller Früchte und Gemüse in die Kirche einzogen zum Erntedank-Gottesdienst:
Ernte als Sinnbild für Ertrag aus eigener Arbeit.
Nun hat aber, wer in der Stadt wohnt, kaum einen eigenen Garten, um zu säen
und zu pflanzen wie kann ein solcher Mensch da ernten und für den Ertrag
danken?
Er kann bildlich gesprochen die eigene Ernte des Lebens einfahren,
dankbar für das, was ihm geschenkt wurde, was durch andere Menschen gediehen
ist, mit dem Segen von oben. Aber ich muss warten können, um das Wunder des
Wachsens und des Reifens zu erleben. Wachstum braucht Zeit. Das gilt für
Beziehungen zwischen den Menschen. Das gilt auch für den eigenen
Wachstumsprozess.
Die Gaben, welche Gott jedem Menschen gegeben hat, sind Samen, nicht reife
Frucht. Die Zeit unseres Daseins ist angelegt auf Wachsen, Reifen, niemals
fertig sein. Ich kann das mit einem Bild ausdrücken: Harter Boden lässt
nichts in sich eindringen. Solange nicht gepflügt und nicht gegraben wird,
wächst nichts. Umgraben aber heisst, das Unterste zuoberst kehren, heisst,
unsere festgefahrenen Wege verlassen, unsere Massstäbe in Frage stellen.
Dann können wir lernen, dass nicht die Fülle der Gaben uns die
Lebenserfüllung bringt, sondern der Reichtum, der vor Gott gilt.
So werden wir reich durch all die Menschen, die uns begegnen und die uns
anvertraut sind. Reich beschenkt sind wir auch durch Menschen, die sich
einsetzen für andere und für die Bewahrung der Schöpfung, die für
Gerechtigkeit und Frieden eintreten. GOTT sei DANK!
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Iris Daus, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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