Weg-Wort vom 15. Dezember 2006
Ermutigung zum Leben
Wir haben alle unsere Schwachstellen und Schattenseiten, die wir vor
einander möglichst verbergen und uns selbst gegenüber oft nicht einmal
wahrhaben wollen. Für ein befriedigendes und erfülltes Leben aber kommen wir
nicht umhin, uns unsern Mängeln und dunkeln Seiten zu stellen.
"Ein Mann suchte im Lichtschein einer Strassenlaterne nach seiner wertvollen
Münze, die ihm heruntergefallen war. Auf die Frage, wo genau er sie denn
verloren habe, zeigte er auf die andere Strassenseite. - Aber warum suchen
Sie denn hier und nicht dort? - Da kann ich ja nichts sehen, so dunkel ist
es da! Hier habe ich wenigstens Licht."
Wir müssen uns im Kern unserer Dunkelheit ansprechen lassen. Denn: Was uns
heilt, hat etwas damit zu tun, woran wir krank sind, sagt der Münchner
Psychotherapeut Henning von der Osten. Wir sollten auch da hinschauen, wo es
wehtut.
Denn alles, was in uns ist, hat seinen Sinn. Auch unsere Ängste und
Widersprüche. Die Angst zum Beispiel: nicht gut genug zu sein, Fehler zu
machen oder zu versagen. Der Widerspruch beispielsweise: immer Recht haben
zu müssen und dennoch anerkannt und beliebt sein zu wollen.
Solange wir unsere Ängste und Mängel nicht wahrhaben wollen, sind wir ihre
Gefangene, bestimmen sie unser Leben, ob wir es wollen oder nicht.
Erst wenn wir sie zulassen, sie uns ganz genau anschauen und ihnen auf den
Grund gehen, können sie sich verwandeln in eine Kraft, die aufbaut und
weiterführt in eine neue Lebendigkeit und Freiheit.
Es braucht Mut, diesen Weg zu beschreiten und sich im Kern seiner Dunkelheit
ansprechen zu lassen. Wer sich aber von Gott gehalten und getragen weiss,
was auch immer geschieht, findet leichter diesen Mut und die nötige Kraft
dazu. Er ist ermutigt, das Negative genauso wie das Gute in seinem Leben
wahrzunehmen und anzunehmen.
Die Glaubensgewissheit, dass Gott mich annimmt und Ja zu mir sagt, so wie
ich jetzt bin, mit all meinen Stärken und Schwächen, ist eine kraftvolle,
eine unglaubliche Ermutigung zum Leben.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche