Weg-Wort vom 11. April 2006
Gerechtigkeit ist für alle oder sie ist nicht
Meditation von Silvia Strahm Bernet
zum Text des Propheten Amos (5,24):
Gott spricht: Das Recht ströme wie Wasser,
die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Gerechtigkeit ist ein knappes Gut, kostbar, lebensnotwendig, doch ungleich
verteilt, wie das Wasser. Den einen fliesst es zu, den anderen versickert
es, ohne Nutzen und Frucht. Die einen kaufen es sich, für andere ist es
unbezahlbar.
Wie ein nie versiegender Bach, soll sie strömen, die Gerechtigkeit. Wie ein
Bach, an dem wir sitzen, aus dem wir trinken, dem wir zuschauen,
nachdenklich, die Füsse hineingetaucht, die wir uns kühlen lassen nach dem
beschwerlichen Gang. Der Traum vom Leben, wenn alles gelänge. Wie es sein
könnte, wir können es wortreich beschreiben.
Wie es Realität wird? Seit ewigen Zeiten üben wir es. Übersetzen Theorie und
Traum in verhandelbare Gerechtigkeit und nüchterne Sätze des Rechts. Das
erkämpft werden muss und wozu Einmischung nötig ist, Teilhabe, Streit und
Ausgleich.
Das ist kein sanftes Plätschern. Kein Bach, der sich seinen Lauf selber
schafft. Eingriffe sind notwendig, Begradigungen, Steuerung, Verteilsysteme,
Kontrolle, damit es das Leben aller garantiert. Mehr als das blosse Leben.
Das gute Leben. Für alle. Den Zugang zu Nahrung, Gesundheit, Wissen, Arbeit,
Information, Macht, Lust und Spiel.
Vor diesem Recht gibt es weder Mann noch Frau, weder arm noch reich.
Gerechtigkeit ist für alle oder sie ist nicht. So einfach ist das und so
endlos schwer.
(aus der diesjährigen Fastenagenda der beiden Hilfswerke Brot für alle und
Fastenopfer)
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche
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