Weg-Wort vom 24. März 2010
Freude und Trauer
Glück und Leid liegen nahe beieinander. Das erleben wir alle immer wieder.
Es gibt nicht das uneinge-schränkte Glück, genauso wenig aber gibt es das
alleinige Leid. Zwar mögen wir Momente purer Freude als auch purer Trauer
empfinden; immer schwingt jedoch schon, kaum spürbar, etwas von dem anderen
Pol mit. Wie geht das zusammen?
Wenn wir die Redewendung benützen: von himmelhochjauchzend bis zu Tode
betrübt, dann meinen wir damit nicht einfach eine Stimmungsschwankung oder
gar eine Laune. Vielmehr ist dies eine treffende Bezeichnung für die ganze
Spannbreite an Möglichkeiten, wie es in unserem Innern aussehen kann.
Anschaulich wird das, wenn ich den Dichter Khalil Gibran mit einer
Geschichte zu Wort kommen lasse:
Zum Propheten sagte eine Frau: Sprich zu uns von Freude und Trauer. Er
antwortete: Eure Freude ist eure Trauer ohne Maske. Und der Brunnen, aus dem
euer Lachen kommt, war oft mit euren Tränen gefüllt wie kann es anders
sein?
Je tiefer die Trauer sich in euer Leben eingräbt, desto mehr Freude könnt
ihr aufnehmen
Wenn ihr voller Freude seid, seht tief in euer Herz und ihr
werdet entdecken, dass nur, was euch vorher trauern liess, euch jetzt Freude
gibt. Wenn ihr betrübt seid, seht wieder in euer Herz und ihr werdet
entdecken, dass ihr in Wirklichkeit über das weint, was euch früher Freude
machte.
Manche von euch sagen: Freude ist grösser als Trauer, und andere sagen:
Nein, Trauer ist grösser als eure Freude. Aber ich sage euch, dass die
beiden nicht zu trennen sind. Sie treten zusammen auf, und wenn eine an
eurem Tisch sitzt, so liegt die andere schlafend in eurem Bett.
Wahrlich, ihr schwebt zwischen eurem Leid und eurer Freude wie die zwei
Schalen einer Waage. Nur wenn ihr leer seid, steht ihr still und seid
ausgeglichen. Wenn der Schatzhüter euch emporhebt, um sein Gold und Silber
zu wiegen, dann wird eure Freude und eure Trauer zwangsläufig steigen oder
fallen.
So gegensätzlich sie auch sind, sie gehören doch untrennbar zusammen, wie
Licht und Schatten, Tag und Nacht. Das eine gibt es nicht ohne das andere,
so schmerzlich es auch für uns ist. Glück und Leid, Freude und Trauer, Wonne
und Schmerz. Das ist Leben in Fülle. Leben mit all seinen Facetten und in
seiner ganzen Intensität, dem nichts fremd ist und das alle Möglichkeiten in
sich trägt.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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