Das Weg-Wort Werktagsgedanken aus der Bahnhofkirche Zürich!
Weg-Wort vom 10. September 2020
Jesus Christa
Huch! Was ist das denn? Oder besser: Wer ist das? Jesus in Frauenkleidern am
Kreuz? Ist das jetzt irgend so ein Chonchita Wurst-Furz, oder was?
Aber das Kruzifix sieht doch eher alt aus
Ja, es stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist im Diözesanmuseum Graz-Seckau
zu sehen. Und in der Tat stellt es eine gekreuzigte Frau mit Bart dar. Es
handelt sich um die «Heilige Kümmernis», ein Bildmotiv aus der katholischen
Volksfrömmigkeit, das v.a. im Süddeutschen und im Alpenraum Verbreitung
fand. Der Legende nach sollte Wilgefortis, die gläubige Tochter eines
heidnischen Königs, einen nichtgläubigen Mann heiraten. Auf ihr Gebet, sie
möge so hässlich werden, dass sie der Heirat entgehe, lässt Gott ihr einen
Bart wachsen. Darauf lässt der erboste Vater sie nach Art ihres
gekreuzigten Gottes ebefalls kreuzigen. Zu dieser Legende liesse sich
einiges sagen. Das wird in einem späteren Weg-Wort geschehen. Für heute soll
der grandiosen Irritation nachgegangen werden, die diese
Kreuzigungsdarstellung auslöst. Völlig zurecht fällt einem mit heutigem
Blick sofort die/der österreichische Sänger*in Conchita Wurst ein. Und damit
ein ganz anderer Themenkomplex. Zum Beispiel: Ist Jesus für uns auch als
Mann denkbar, der sich als Frau gefühlt hat? War er das vielleicht sogar?
Wenn er nach christlichem Bekenntnis «
uns wesensgleich nach der Menschheit,
in jeder Hinsicht uns ähnlich
» (Bekenntnis von Chalcedon) war, wieso sollte
er dann «nur» Mann gewesen sein? Wenn er sich, wie die Evangelien erzählen,
um die Nichtakzeptierten und An-den-Rand-Gedrängten seiner Zeit gekümmert
hat, würde er heute nicht besonders den Kontakt mit transsexuellen Menschen
suchen? Und würde er deshalb heute vielleicht mit Frauenkleidern gekreuzigt?
Conchita Wurst hat ihren/seinen Künstler-Nachnamen gewählt, «
weil es eben
wurst ist, woher man kommt und wie man aussieht». Stimmt doch!
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
Abb.: Heilige Kümmernis, Diözesanmuseum Graz-Seckau, Graz, Österreich,
Künstler*in unbekannt, 2. Hälfte 18. Jh. Foto:
https://commons.wikimedia.org/wiki/User: Gugganij
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