Weg-Wort vom 21. November 2006
Den Frieden wieder finden
Wenn es draussen wieder dunkler ist, wird es für viele Menschen auch
drinnen, in der Welt ihrer Seele, dunkler und schwerer. Thomas Broch
beschreibt im folgenden Gedicht seine dunklen, verlorenen Gedanken:
Ich bin aufgebrochen, aber nicht angekommen.
Ich bin unterwegs, aber sehe kein Ziel.
Ich bin hier und dort gleichgültig wo.
Ich gehöre nirgends hin.
Ich bin fremd, auch mir selbst.
Ich habe verloren:
Meine Herkunft, meinen Weg, meine Zukunft.
Meine Wurzeln.
Ich habe meine Hoffnung,
mein Zutrauen, meinen Mut verloren.
Auch das Vertrauen,
wieder Sinn in meinem Leben zu sehen.
Ich habe alles verloren.
Ich bin verloren.
Verloren mitten unter den Menschen.
Die Sehnsucht aber bleibt:
Geborgen sein, vertraut sein,
angenommen sein.
Leben ohne Angst.
Wieder Frieden finden auch in mir.
Erst in der Dunkelheit kann ich die Sehnsucht in mir spüren, kann ich sie
deutlicher wahrnehmen. Erst in meiner Weglosigkeit, in meiner Verlorenheit
kann die Sehnsucht in mir wachsen und ihre Kraft entfalten. Und meiner
Sehnsucht darf ich vertrauen, mich ihr überlassen. Denn mit ihr erhalte ich
eine Ahnung von dem, was sie sucht. In ihr ist bereits ein Kern des
Ersehnten, der Keim der Geborgenheit, des Angenommenseins und des inneren
Friedens enthalten.
Im Zulassen, im Aushalten meiner dunklen Seiten, meiner Schwächen und
Mängel, kann die Sehnsucht in mir wachsen. Und mit ihr wächst auch die
Vertrautheit wieder, stärkt sich das Leben ohne Angst, kann ich den Frieden
wieder finden auch in mir.
Und manchmal ist es die Sehnsucht, die uns etwas von Gott erahnen lässt in
der wir für Momente Gott begegnen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche