Weg-Wort vom 5. August 2010
Es sind alle so nett
Es ist schön, wenn alle so nett sind, so lieb, einen auf Händen tragen und
es nicht nur so meinen, sondern es eben auch tun. Das ist gut und tut gut.
Wenn Ihnen solches widerfährt, geniessen Sie es und pflegen Sie diese
Beziehung.
Diese Form von Beziehung meint Franz Hohler in seinem Lied Es sii alli so
nätt
kaum. Für mich spricht er eine erzwungene Freundlichkeit an, die
gleichsam als Gruppendoktrin wie ein Damokles-schwert auf einem lastet. Es
darf gar nichts anderes gelten als Wir haben es gut miteinander.
Überzuckerte Boshaftigkeit, könnte man dem sagen. Wenn Sie mitspielen, dann
ist alles in Butter, wehe wenn nicht. Dieser Hang zum Es guthaben
miteinander geht oft mit der Unfähigkeit miteinander zu streiten einher.
Sachkritik ist nicht erlaubt, oder nur einseitig und wird dann in jedem
Fall als persönlichen Angriff gedeutet. Wer sich da wider-spenstig zeigt,
ist als Störefried abgestempelt und am liebsten aus der Gruppe ausgestossen.
Es sind alle so nett
Gefährlich, weil das nur die Oberfläche betrifft. So
hat mir einmal ein Mann davon berichtet, wie er sich in einer religiösen
Gemeinschaft so unendlich wohl gefühlt habe alle waren so nett in den
Gottesdiensten, in den Gebetskreisen, und er hat geglaubt, wie es sich
gehört in dieser Gruppierung. Problematisch wurde es erst als er Krebs bekam
und mit der Krankheit auch Zweifel aufkamen, Zweifel an Gott, am Gebet und
er begann eine andere Sprache zu sprechen. Auf einmal hörten die
Nettigkeiten auf, Gespräche verstummten in seiner Nähe, und je länger je
mehr fühlte er sich ausgeschlossen. Die Gemeinschaft trug ihn nicht mehr und
ertrug ihn auch nicht mehr, und er purzelte aus ihr heraus. Immer noch waren
alle so nett.
Nett sein ist nicht alles, ein gutes Streitklima täte dort gut, wo alle
behaupten, sie hätten keine Probleme und bei ihnen funktioniere alles
bestens und man ihren zum Lächeln gezwungenen Gesichtern ansieht, dass doch
nicht alles koscher ist. Ein gutes Streitklima tut wohl.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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