Weg-Wort vom 11. Juli 2013
Zügeln
Wir leben gerade in Kisten. Kisten so weit das Auge reicht. Manche dieser
Kisten, vor allem Bücherkisten, sind so gut angeschrieben, dass es jedes Mal
eine Überraschung ist, wenn wir sie öffnen. Wir wissen, aus welchem Zimmer
sie stammen; wir wissen, in welches Zimmer sie gehören: Aber was genau drin
ist, erfahren wir erst, wenn wir die Schatztruhe öffnen. - Weihnachten schon
im Sommer.
Zügeln: Aufbrechen und Neues wagen. Zügeln: Beziehungen und Vertrautes
zurücklassen. Zügeln: Entschlacken und entdecken, was alles wir mit uns
schleppen, ohne es wirklich zu brauchen. Zügeln: Was will und muss ich
mitnehmen an Beziehungen, an Vertrautem, dass ich lebe. Zügeln: Leer werden
und frei für neue Beziehungen, umpflanzen.
Wir haben es mit vielen Freunden und einem Zügelunternehmen geschafft und
sie haben getragen, gestemmt, abgebaut und aufgebaut. Vieles haben sie
getan, aber zu trennen, was weiter wichtig bleibt von dem, was unwichtig
geworden ist, das ist und bleibt unsere Sache.
Ich frage mich, wie Abraham es geschafft hat, ohne Zügelunternehmen.
Im ersten Testament wird vom Start dieser Züglerei völlig trocken und
emotionslos berichtet: "Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Land
und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land,
das ich dir zeigen werde." - Die Segensverheissung nimmt in ihrer Fülle
zwei Sätze ein. Dann geht es weiter: "Da ging Abram, wie der Herr es ihm
gesagt hatte."
Bei aller Plackerei, vor der sicher auch Abram nicht verschont blieb, liegt
in der Kürze der biblischen Erzählung etwas, das besticht. Es braucht diesen
Entscheid, diesen Ruf, diese Berufung vielleicht, aus der dann Neues
entstehen kann. "Geh", und er ging. Wann lassen wir uns herausreissen aus
unserm Alltag, um unserm Ruf zu folgen?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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