Weg-Wort vom 4. Oktober
Gönne Dich Dir selbst
Es ist mein Thema - vielleicht auch Ihres. Darum zitiere ich und lasse es so
mir sagen von Bernhard von Clairvaux. Sein Brief ging an einen gestressten
Papst:
"Wo soll ich anfangen? Am besten bei Deinen zahlreichen Beschäftigungen,
denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit Dir. Ich fürchte, dass Du,
eingekeilt in Deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst
und deshalb Deine Stirn verhärtest; dass Du Dich nach und nach des Gespürs
für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst. Es ist viel
klüger, Du entziehst Dich von Zeit zu Zeit Deinen Beschäftigungen, als dass
sie Dich ziehen und Dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du
nicht landen willst. Du fragst an welchen Punkt? An den Punkt, wo das Herz
anfängt, hart zu werden. Frage nicht weiter, was damit gemeint sei: wenn Du
jetzt nicht erschrickst, ist Dein Herz schon so weit.
Das harte Herz ist allein; es ist sich selbst nicht zuwider, weil es sich
selbst nicht spürt. Was fragst Du mich? Keiner mit hartem Herzen hat jemals
das Heil erlangt, es sei denn, Gott habe sich seiner erbarmt und ihm sein
Herz aus Stein weggenommen und ihm ein Herz aus Fleisch gegeben. Wenn Du
Dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum
mehr für Besinnung vorsiehst, soll ich Dich da loben?
Wenn Du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel Christi (1.
Kor 9,22), lobe ich Deine Menschlichkeit aber nur, wenn sie voll und echt
ist. Wie kannst Du aber voll und echt sein, wenn Du Dich selber verloren
hast?
Denn, was würde es Dir nützen, wenn Du alle gewinnen, aber als
einzigen Dich selbst verlieren würdest? Wenn alle Menschen ein Recht auf
Dich haben, dann sei auch Du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich
selbst hat. Warum solltest einzig Du selbst nicht von Dir alles haben? Wie
lange noch schenkst Du allen anderen Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir
selber?
Ja, wer mit sich schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran:
Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das
oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch
für Dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen."
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
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