Weg-Wort vom 1. November 2011
Allerheiligen
Haben sie gewusst, dass im 12. Jahrhundert auf eine heilige Frau sieben
heilige Männer kamen? Heute sind im liturgischen Kalender ca. 75% der
Heiligen Männer und 25% Frauen (Maria, die Mutter Jesu eingeschlossen). Die
kleinste Chance heilig gesprochen zu werden, haben verheiratete Frauen. Frau
zu sein ist also, auch nach dem Tod, ein Handicap! Das hat natürlich eine
feministische Theologin herausgefunden, Elizabeth A. Johnson. Und mit diesen
Zahlen will sie nicht etwa uns die Heiligen "vermiesen", viel mehr ein
neues, anderes Licht auf die Heiligen und auf Heiligkeit werfen.
Sie formuliert es in etwa so: Es geht nicht darum, von aussen, mit der rosa
Brille auf die Heiligen, die Heiligenlegenden zu schauen, sondern durch die
Augen der Frauen (und Männer), in ihrer Zeit zu schauen. Dann begegnen uns
nicht nur brave, folgsame Jungfrauen und Märtyrerinnen, sondern Frauen, die
ein inneres Feuer hatten für Arme und an den Rand Gedrängte, Frauen, die in
den jungen Gemeinden den Hauskirchen vorgestanden sind, Frauen, die
Gerechtigkeit gesucht haben, Künstlerinnen, Kämpferinnen, Mystikerinnen,
Predigerinnen, Frauen, die gegen die Unterdrückung von Männern aufgestanden
sind...
Weiter argumentiert sie, die ganze Welt sei Gottes Schöpfung, wir können sie
nicht säuberlich in heilige und profane Zeiten und Plätze einteilen.
Also doch die Heiligen abschaffen? Nein, viel mehr Alle und Alles
einbeziehen in die Heiligkeit, denn die Geistkraft weht wo sie will.
"Die Weisheit ist nur eine und vermag doch alles, sie bleibt, was sie ist,
und erneuert doch alles. Von Generation zu Generation tritt sie in heilige
Menschen ein und macht sie zu Freundinnen und Freunden der Gottheit und zu
ihren Prophetinnen und Propheten." (Weish 7,27)
So ermuntere ich Sie, leben Sie ihre Heiligkeit als Rebellin, als Hungernde
nach Gerechtigkeit, als Freundin und Freund von Gott und den Mitmenschen,
als Prophetin und Prophet. Leben Sie heute so und warten Sie nicht damit,
bis Sie heiliggesprochen werden.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
© Ökumenische Bahnhofkirche m Hauptbahnhof Zürich
info(a)bahnhofkirche.ch
www.bahnhofkirche.ch
www.offene-tuer.net