Weg-Wort vom 15. Februar 2007
Warum ich Gott so selten lobe?
Die deutsche Theologin und Schriftstellerin Dorothee Sölle schrieb als Titel
über ein Gedicht Warum ich Gott so selten lobe? In dem Gedicht schaut sie
auf die Welt und entdeckt darin viel Leid und Ungerechtigkeit. Diese
Tatsache bezieht sie auf Gott und findet, dass Gott wenig Lobenswertes tut.
Damit ist der Mensch entschuldigt, wenn kein Lob über seine Lippen kommt.
Die ungeheure Anhäufung von Leid und Grausamkeit in der Welt lässt das Lob
des gütigen Gottes verstummen. Sie schreibt:
Er schickt nichts ich sehe nichts
er war schon immer stumm ich schon immer blind
das ist die melodie dieser welt.
Die Melodie dieser Welt: Damit meint Dorothee Sölle Leid- und
Unheilserfahrungen. Sie machen blind für das, was von Gott kommen könnte.
Als Menschen sind wir versucht, nur diese Melodie in der Welt zu hören.
Sölle ist aber doch der Überzeugung, dass es sich lohnt, dem Lob einen Platz
im Leben einzuräumen. Sie nimmt sich vor, das Loben als eine positive
Lebensperspektive wiederzuentdecken. Jeden Tag will sie drei Sachen zum
Loben finden. Helfen können ihr dabei die Väter und Mütter des Glaubens.
Diese haben sich an einer positiven, dankbaren Lebensperspektive
ausgerichtet, die von einer Grund-Einstellung geprägt ist: Das Leben ist
gut. Sie schreibt:
Jetzt habe ich mir vorgenommen
jeden tag drei sachen zum loben zu finden...
dies ist eine geistlich-politische übung
von hohem gebrauchswert
sie verbindet mich
mit den müttern und vätern des glaubens...
sie lehren mich sehen
auszumachen was alles sehr gut ist.
Unser Leben verkümmert, wenn es sich vom Loben abschneidet. Deshalb sind wir
eingeladen, immer wieder den Blick von der Melodie der Welt auf die
Melodie Gottes in dieser Welt zu lenken. Wahrscheinlich entdecken wir darin
vielfältige Anlässe, dankbar zu werden.
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Hauptbahnhof Zürich
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