Weg-Wort vom 8. Dezember 2008
Wohlstand
Allenthalben wird die Profitgier eines Teils der Manager und der Bankleute
an den Pranger gestellt: Sie wollten immer mehr für sich. Man müsse sie mit
den grössten Salären ködern, damit sie nicht zur Konkurrenz wechseln.
Aber - haben sich nicht auch breite Kreise der Bevölkerung ver-führen lassen
von den Gewinnversprechen, von der Chance der grösstmöglichen Rendite? Waren
wir nicht alle Teil eines Systems, das Profit, Ansehen, Macht und Reichtum
zu gesellschaftlich erstrebbaren Werten erhoben hat? Haben nicht auch wir
Gefallen gefunden an der wachsenden Möglichkeit zu konsumieren, uns stets
mehr zu leisten?
Sicher, wir dürfen uns an unserem selbst erarbeiteten äusseren Wohlstand
freuen und ihn geniessen. Zweifel aber kommen da auf, wo es immer mehr sein
muss. Wo das Streben nach materiellem Reichtum zur alles beherrschenden
Sucht wird, von der wir nicht mehr lassen können. Suchtpotential aber ist
immer da vorhanden, wo innere Werte fehlen, wo kein innerer Wohlstand
herrscht.
Die Bibel spricht in diesem Zusammenhang von der Erbsünde, d.h. von der
Macht der Begierlichkeit, der Selbstsucht in jedem Menschen, die sich
letztlich gegen Gott wendet. Nach Paulus führt sie zu Verdorbenheit und
Ausschweifung, zu Streit, Intrigen, Feindschaft und Spaltungen, zu
Eigennutz, Neid und Missgunst (Gal 5,19-21).
Wenn die katholische Kirche heute das Fest der Unbefleckten Empfängnis
Mariens feiert, drückt sich darin der Glaube aus, dass Maria im Hinblick auf
die Geburt ihres göttlichen Sohnes unbefleckt, d.h. ohne diese tödliche
Macht der Erbsünde, der selbstsüchtigen Verstrickung in das Unheil der
Welt, empfangen wurde.
Wir alle aber, die sich zu Gott bekennen und in seinem Sinn leben, sind
durch Jesus Christus von ihrer tödlichen Macht erlöst. Durch die Gnade
Gottes vermögen wir, mit der Selbstsucht zu leben und ihren Versuchungen
immer wieder zu widerstehen. Sein Geist befähigt uns, sie zuweilen in eine
uns unterstützende Kraft zu wandeln.
Der äussere Wohlstand erhält seine positive Kraft für uns und die Welt erst,
wenn ihm ein innerer Wohlstand entspricht. Das gilt individuell wie
gesamtgesellschaftlich. Den inneren Wohlstand aber pflegen und vermehren
wir, wenn wir Gott aus ganzem Herzen lieben und genauso unsere Nächsten wie
auch uns selbst. Nach Paulus führt er zu einer Fülle des Guten: zu Geduld,
Freundlichkeit, Güte, Treue, Bescheidenheit und Selbstbeherrschung, zu
Liebe, Freude und Frieden (Gal 5,22f).
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