Weg-Wort vom 7. März 2006
Spiritualität und Engagement
Es ist ein Skandal, dass in unserem Land, so macht es eine Caritas-Studie
deutlich, eine Million Menschen leben, die maximal 2'300.- Fr. im Monat
verdienen. Und rund die Hälfte von ihnen ist von unseren staatlichen
Sozialeinrichtungen abhängig. Daneben haben wir im vergangenen Jahr von
Managerlöhnen und von Gewinnzulagen gehört, bei denen uns das Hören und
Staunen vergangen ist. Das ist nicht gerecht!
Glaube, Gottesdienst und Gerechtigkeit gehören zusammen. Das Eine geht nicht
ohne das Andere. Menschen, die sich zu den Gläubigen zählen und
Gottesdienste feiern und die konkrete Ungerechtigkeit, das Unrecht vor der
eigenen Türe nicht sehen, denen ruft der Prophet Amos im Alten Testament zu:
Ich kann das Geplärr eurer Lieder nicht ertragen. Lass mich in Ruhe mit dem
Lärm deiner Lieder!
Der Prophet Amos kritisiert, dass Glaube und Gottesdienst nicht im Einklang
mit Recht und Gerechtigkeit stehen. Für ihn ist das Eine nicht ohne das
Andere zu haben. Für unsere Million wirklich armer Menschen im eigenen Land,
so wie für die noch viel ärmeren in anderen Ländern zu beten, ist überhaupt
nicht in Frage zu stellen. Für sie und mit ihnen etwas zu tun, das muss die
Folge des Gebetes, des Glaubens, der Fürbitte sein!
Armut kann den Ausschluss von Rechten zur Folge haben. Für Gerechtigkeit
einzutreten heisst deshalb, die Spirale der Armut zu durchbrechen, Menschen
zu unterstützen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen können, nach
Gerechtigkeitslücken zu suchen und Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Die
Verbindung von Gottesdienst und religiösem Handeln, von Spiritualität und
Engagement, von In-Sich-Gehen und Sich-Einmischen im Sinne Gottes für die
Benachteiligten und Entrechteten ist unsere ureigene Aufgabe als Christen
und Kirchen.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Hans-Ruedi Rüfenacht
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche
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