Weg-Wort vom 4. April 2008
Gott betasten, begreifen, erfahren
Bald sind es zwei Wochen her, seit wir Ostern gefeiert haben. Ob uns der
Auferstandene in diesen letzten zwölf Tagen Eindruck gemacht hat? Ist er
hier und da einem oder einer von uns erschienen? Hat er uns irgendwo mitten
zwischen und in den Abläufen der Tagesordnungen aufgeschreckt als der real
Gegenwärtige?
Vielleicht ist das, was in der Osterbotschaft auf uns eindringt, zu
ungeheuerlich, so dass es uns die Stimme verschlägt. Und vielleicht sind wir
ein Leben lang unterwegs, bis uns Jesus Christus wirklich als der Lebendige
aufgeht. Wenn wir auf die Ostergeschichten der Evangelien schauen, befinden
wir uns dabei in bester Gesellschaft. Dort wird erzählt, wie Menschen einer
intensiven Behandlung bedurft haben, bis sie durchfanden zum Osterglauben.
Am bekanntesten ist der Glaubensweg des sogenannt ungläubigen Thomas.
Seine Freunde muteten ihm am Osterabend eine unglaubliche Geschichte vom
Kommen des toten Meisters in einen verschlossenen Raum zu. Mit Begeisterung
erzählten sie ihre Ostererfahrungen. Thomas lehnt ihr Gerede ab und stellt
Bedingungen, unter denen er glauben will: Wenn ich nicht an seinen Händen
das Mal der Nägel sehe und meine Hand in seine Seite lege, glaube ich nicht
(Joh 20,25).
Was Thomas sprach, ist manchen von uns aus dem Herzen gesprochen. Der Blick
nach oben ist vielen verschlossen. Wir leben in einer Zeit, in der kaum
jemand einfach selbstverständlich in den Glauben hineinwächst. Anderseits
drücken die Worte des Thomas eine grosse Sehnsucht nach der Nähe Gottes aus.
Da möchte ein Mensch dem Geheimnis Jesu und damit auch dem Geheimnis Gottes
möglichst nahe kommen. Er möchte betasten, begreifen, erfahren.
Viele Menschen sind heute auf der Suche nach einer persönlichen,
unmittelbaren Gotteserfahrung. Menschen versuchen in der Tiefe ihres eigenen
Wesens die Gegenwart Gottes zu erspüren. Oder sie streben danach, den
religiösen Reichtum, der allen Ereignissen und Dingen unserer Alltagswelt
eingeschrieben ist, zu gewinnen. Denn: In allem will Gott auch heute mit uns
Begegnung feiern.
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Hauptbahnhof Zürich
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche