Weg-Wort vom 3. Juli 2008
Nimm dich nicht so wichtig!
Ich las einmal von einer Truppenbesichtigung im süddeutschen Raum durch
einen hohen Kommandanten. Die Einheiten nahmen Aufstellung. Es folgten
Kommandos, Ausrichten, Gewehrgriffe, Meldungen. Da huschte plötzlich mitten
in dieses Zeremoniell ein kleines Mädchen. Es hatte in der Nähe gespielt,
und man vergass, es fortzuschicken. Das Mädchen stellte sich vor den
ordensgeschmückten Vertreter militärischer Macht, der klein von Gestalt war.
Es schaute ihn unschuldig an und sagte: Du bisch aber ein kleins Soldätle!
Die nähere Umgebung konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Das Mädchen
aber lief rasch wieder davon, um sein Spielen fortzusetzen.
Dieses Kind hatte durch seine Unschuld die militärische Macht für einen
Augenblick entwaffnet. Hilflos stand der Kommandant ihm und der einfachen
Wahrheit, die es sagte, gegenüber. Wie oft erweist sich der Mächtige als
ohnmächtig, und wie mächtig ist nicht selten das Kleine, dem man nichts
Bedeutsames zutraut.
Dieses Mädchen müsste zu denen, die nach Macht und Einfluss in Kirche und
Welt streben, kommen und lächelnd sagen: Du bisch aber ein kleins
Soldätle! Dieses Mädchen müsste ständig in uns selbst gegenwärtig sein und
uns dieses Wort von innen her sagen, wenn wir anfangen, uns selber allzu
wichtig zu nehmen.
Nimm dich nicht so wichtig! Als Papst Johannes XXIII. in den ersten Wochen
seines Pontifikats unter der Bürde seines Amtes nicht mehr schlafen konnte,
sah er in einem Wachtraum seinen Schutzengel, der ihm zuraunte: Giovanni,
nimm dich nicht so wichtig!
Der Mensch neigt dazu, sein Ich gewichtig zu nehmen. Unser Lebensstil ist
stark geprägt von der Leistungs- und Wachstums- und Prestigeideologie
unserer Gesellschaft. Damit wird unser Menschsein erdrückend schwer.
Uns sagt Jesus im Evangelium: Schaut die Vögel des Himmels..., schaut die
Lilien des Feldes.... ihr Kleingläubigen (vgl. Mt 6,26-30). Damit verweist
er uns auf die Freiheit der Vögel und der Blumen, auf die Freiheit des
Kindes, die sich ganz der Sorge Gottes anheim geben und sich von ihm
beschenken lassen können. Je mehr es uns gelingt, uns leidenschaftlich in
unserem Beruf einzusetzen und dabei zugleich auch gelassen über unsere
Bemühungen lachen zu können, umso anziehender und überzeugender wirken wir.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
www.bahnhofkirche.ch
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
Evangelisch-reformierte und Römisch-katholische Kirche