Weg-Wort vom 10. August 2007
Wider die Hoffnungslosigkeit
Schon wieder blutige Anschläge im Irak, Terror in Israel und Palästina, Mord
und Totschlag in Darfur, zwanzig Millionen Obdachlose in Indien und
Bangladesch
! Ich kann diese Meldungen kaum mehr hören und die Bilder davon
schon gar nicht mehr sehen. Manchmal muss ich mich richtiggehend vor ihnen
schützen, damit das Gefühl der Hoffnungslosigkeit nicht überhand nimmt.
Seit der Erbschaft ist die Familie heillos zerstritten. Nichts geht mehr.
Keine Chance für ein Gespräch, seit Jahren schon. Niemand sieht auch nur die
geringste Hoffnung. Das ist halt einfach so! Da kann man nichts machen!
höre ich im Seelsorgegespräch.
Wo erfahren Sie Hoffnungslosigkeit in Ihrem Leben, in Ihrer Umgebung?
Für Dante ist die Hoffnungslosigkeit die Hölle. Über ihrem Eingang heisst es
in seiner Göttlichen Komödie: Lasst alle Hoffnung fahren, ihr, die ihr
hier eintretet.
Die Hoffnung aber widerspricht dem unabänderlichen So ist es! Sie hält den
Spielraum, die Spannung offen zwischen dem, was ist, und dem, was sein
könnte. Nur wo diese Offenheit besteht, ist menschliches Leben möglich. Sie
erzeugt die Spannkraft, die vorwärts bewegt und Entwicklung in Gang setzt.
Sie vermag dem, was festgefahren ist, eine andere Perspektive entgegen zu
halten, sogenannte Sachzwänge zu hinterfragen und aufzuweichen.
Wer hoffend Spielräume offen hält, weiss, dass sich Verhältnisse und
Menschen ändern können. Er muss aber auch bereit sein, Spannungen,
Widersprüche und den Schmerz der Enttäuschung in Kauf zu nehmen und
auszuhalten. Er tut zudem gut daran, sich Rechenschaft zu geben über den
Grund seiner Hoffnung. Denn grundlose Hoffnung ist trügerisch und leicht
verführbar.
Dein Reich komme beten wir im Vaterunser. Von diesem Reich heisst es bei
Mk 1,15: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe.
Das ist für Christen Grund und Kraftquelle jeglicher Hoffnung: Gottes
Herrschaft, die nichts als Liebe, Wahrheit, Barmherzigkeit und göttliche
Gerechtigkeit ist, ist schon da, mitten unter uns allerdings noch nicht
vollkommen, sondern in der Spannung und Offenheit des Schon und noch
nicht.
Die göttlichen Wesenszüge sind in unsere Herzen gelegt. Denn wir sind nach
seinem Bild geschaffen. Darum vermögen wir zu hoffen gegen alle
Hoffnungslosigkeit. Und überall da, wo wir Liebe, Wahrheit und
Barmherzigkeit unter einander leben, wird etwas von Gottes Reich schon
gegenwärtig.
© Bahnhofkirche
Hauptbahnhof Zürich
Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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