Weg-Wort vom 15. Mai 2009
Nur für heute
Ihr Übergewicht störte sie immer mehr, so dass sie sich entschlossen
abzunehmen. Er gab sich das Versprechen, ein Jahr lang auf jegliche
Süssigkeit zu verzichten. Doch manchmal war die Lust stärker als sein
gegebenes Wort. Er sagte dann zu ihr: Eine Ausnahme darf doch sein! Nur
dieses eine mal! Nur für heute! Seine Ausnahmen aber nahmen im Lauf des
Jahres stetig zu.
Sie wusste um ihre Schwäche. Sie mochte sich nur für einen Tag festlegen:
Nur für heute wollte sie auf jegliche Süssigkeit verzichten. Ihre Tage des
Verzichts nahmen stetig zu.
Manche neigen dazu, sich mit ihren Vorhaben und Versprechen zu überfordern.
Ihr Scheitern ist dann fast unausweichlich. Andere wiederum trauen sich zu
wenig zu und unterfordern sich. Hier das richtige Mass zu finden, ist eine
Frage der Erfahrung und der Ehrlichkeit mit sich selbst.
Mit der Einladung Jesu, Gott zu lieben und genauso unsere Mitmenschen wie
uns selbst, verhält es sich ähnlich. Wenn wir sie zu unserem festen Ziel
machen, ist die Gefahr gross, dass wir uns bei jedem Versagen schlecht
fühlen und uns entwerten. Und irgendwann vielleicht entmutigt aufgeben.
Betrachten wir sie aber als eine Art Richtschnur für unser tägliches Leben,
nur gerade für jetzt, für diesen Tag, können wir uns nach jedem Straucheln
an ihr wieder aufrichten. Können wir uns, ohne uns zu entwerten, immer
wieder neu auf sie einlassen.
Vielleicht so, wie es der lebensnahe und weise Papst Johannes XXIII.
formulierte:
Nur für heute will ich mich mühen; den heutigen Tag will ich leben, ohne
gleichzeitig an alle Probleme meines Lebens zu denken
Nur für heute will ich gewiss sein, dass ich für das Glück geschaffen wurde,
und zwar nicht erst für die andere Welt, sondern auch für diese.
Nur für heute will ich mich den Umständen anpassen, ohne zu verlangen, dass
die Umstände sich meinen Wünschen unterordnen
Nur für heute will ich fest daran glauben, auch wenn äussere Umstände
Widersprüchliches nahelegen, dass die Güte Gottes sich um mich kümmert, so
als gäbe es sonst niemanden mehr auf dieser Erde.
Wir wünschen Ihnen einen guten und gesegneten Tag!
Die Seelsorger und Seelsorgerinnen der Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Beat Schlauri, Susanne Wey
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Hauptbahnhof Zürich
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