Weg-Wort vom 24. Juni 2010
Manchmal bin ich wütend auf den lieben Gott
Immer wieder begegnen mir Menschen, denen das Warum? ins Gesicht
geschrieben ist. Sie sprechen aus, was sie nicht verstehen, warum Gott
zulässt, dass der Ehemann krank und zum Sterben verurteilt ist, warum er
zulässt, dass das Erdbeben so viele Opfer fordert und wieder die
Schwächsten, warum er nicht eingreift, wenn Menschen andere unterdrücken und
vernichten.
Man könnte heulen und an seiner Existenz zweifeln. Warum zeigst du dich
nicht, Gott? Wenn es ihn gibt, warum versteckt er sich, schweigt, lässt sich
nicht blicken.
Schon Voltaire hat seinen Candide durch alle Höllen der Welt geschickt, um
eine gescheite Antwort auf diese Frage zu kriegen. Candide suchte nach der
Besten aller Welten. Warum? oder die Frage nach dem Leid, das nicht
aufhören will, und oft auch keinen Sinn ergibt. Wie gehen wir um mit unserm
Leiden, das nun mal zu unserm Leben gehört, ob wir wollen oder nicht? Wie
gehen wir um mit einem Gott, der sich um uns sorgt, der mit uns ist, der
begleitet, der aber nicht so funktioniert, wie wir es gerne hätten?
Wie gehen wir mit Gott um, der selbst seinen Sohn
in diese Welt gesandt
hat? Und der muss nicht nur die Schmerzen der Folter am Kreuz aushalten,
sondern auch den bitteren Spott. Wenn er schon an Gott glaubt, soll der ihn
doch jetzt retten (Mt 27, 43). Nach einer solchen Rettung würde jeder
glauben. Wir hätten, was wir wollten einen Gott, der wie ein Notnagel
funktioniert.
Es ist aber nicht so. Gott tickt anders. Wie ein Vater oder eine Mutter
lässt er uns ziehen, dass wir unsere Freiheit erlangen, erwachsen werden,
uns entfalten können und reifen. Das alles ist wunderbar, eine Fülle von
Möglichkeiten: Er greift nicht ein, lässt uns gross werden, hindert es
nicht.Ist das nicht wunderbar? Aber eben nur die eine Seite der Medaille.
Die andere ist es, den langen Weg zu gehen trotz Zweifel und Verzweiflung,
trotz Unverständnis und Nicht-Begreifen und an ihm festzuhalten.
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Iris Daus, Rolf Diezi
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