Weg-Wort vom 12. März 2009
Ich habe keinen Menschen.
Das sagt der seit 38 Jahren gelähmte Mann zu Jesus, als er ihn fragt, ob er
gesund werden wolle (Joh 5,1-9). Ich habe keinen Menschen. Ich bin allein.
Ich bin einsam - das ist die Erfahrung vieler Menschen gerade in unserer
Zeit.
In seinem Buch Der dreifache Weg schreibt Henri Nouwen: Die Einsamkeit
ist heutzutage eine der geläufigsten Ursachen menschlichen Leidens. Nach
Aussage von Psychiatern und Psychotherapeuten ist sie das Leiden, über das
die Patienten am häufigsten klagen. Sie ist nicht nur die eigentliche
Ursache einer steigenden Selbstmordkurve, sondern auch des
Alkoholmissbrauchs, des Drogenkonsums, etlicher psycho¬somatischer Symptome
wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und Schmerzen in der
Lendenwirbelgegend und einer grossen Zahl von Verkehrsunfällen. In einer
Welt, in der man versucht, die Ellenbogentaktik mit einer Zivilisation in
Einklang zu bringen, in der Miteinander und Gemeinschaft als erstrebenswerte
Ideale gelten, geraten gerade Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren
immer mehr in die Gefahr, von der Seuche der Einsamkeit befallen zu werden
(S.18).
Alleinsein kann auch wohltuend und heilsam sein, sicher, wenn ein Mensch
sich freiwillig in die Einsamkeit begibt, sich eine Zeitlang zurückzieht, in
die Stille geht. Belastend empfindet das Alleinsein, wer keine Kontakte zu
anderen hat, wer sich selbst isoliert oder von anderen isoliert wird.
Menschen können selber ihre Einsamkeit verursachen, auch Schuld kann einsam
machen.
Jesus sieht den Mann, der Hilfe braucht, geht auf ihn zu, spricht ihn an. So
gibt er dem Kranken Mut, von sich zu sprechen. Endlich kann er es laut
sagen: Ich habe keinen Menschen. Keinen, der mir ins heilende Wasser hilft,
keinen, der mir Hoffnung macht und meine Hoffnung mitträgt. Die Leute
übersehen mich. Sie denken nur an sich und ihre eigenen Probleme. Jesus
aber wendet sich dem Kranken zu und zeigt ihm damit, dass er ihm nicht
gleichgültig ist. Er richtet ihn auf, damit er aufrecht gehen kann.
Es kommt darauf an, dass wir einem Menschen das Bewusstsein geben: Du
zählst, auch wenn du krank oder alt bist oder wenn du scheiterst. Wie
kann ich für andere da sein? Für wen will ich heute konkret da sein?
Mit freundlichen Grüssen
Ihre Bahnhofkirche
(c) Bahnhofkirche
Roman Angst, Toni Zimmermann
Susanne Wey, Beat Schlauri
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