Weg-Wort vom 28. März 2007
Von der Würde des Menschen
Eine junge chinesische Arbeiterin berichtet: Ich arbeite in einer
Montagefabrik für Computer-Tastaturen. Meine Aufgabe ist es, die acht
Buchstaben H, G, T, Z, U, V, B und N an jeder Tastatur anzubringen. Die
Quote beträgt 6000 Tastaturen im Tag. Aber dazu muss man extrem schnell
sein. Ich arbeite elf Stunden, und dies 28 Tage in Folge. Ich verdiene
(umgerechnet) 50 Rappen die Stunde. Ich muss auf mein Geld achten für meine
Familie. Ich lebe in der Fabrik, gehe nie aus und kaufe mir nie Früchte.
Sind die acht Buchstaben auf meiner Tastatur, mit der ich jetzt gerade
schreibe, vielleicht von dieser jungen Frau angebracht? Auch mein Computer
wurde in China hergestellt. Unterstütze ich damit die Ausbeutung dieser
zumeist jungen Frauen? Die alleinstehend und von ihren Familien isoliert
einem ständig wechselnden Arbeitsrhythmus von Kurzarbeit bis zur
91-Stunden-Woche ausgesetzt sind, ohne Verträge, mit Lohnkürzung bei wenig
Arbeit, unbezahlter Überzeit, 7-Tage-Woche, schlechter Verpflegung?
Ich fühle mich hilflos, bin beschämt. Ich weiss gleichzeitig, dass überall
auf der Welt Menschen ausgebeutet werden, ihnen Unrecht geschieht auch bei
uns. Dass Menschen nicht in ihrer Würde gesehen und respektiert werden. -
Ich war gerade versucht zu sagen, in ihrer Würde verletzt. Aber das würde
nicht stimmen.
Wir können andere Menschen zwar an ihrem Körper und in ihrer Seele
verletzen, zutiefst und schwer sogar. Aber ihre Würde können wir ihnen nicht
nehmen. Denn sie ist ihnen von Gott gegeben. Ich meine, aus den Worten der
jungen Frau diese Würde heraus zu hören wie auch ihre Trauer und den
Schmerz.
Zutiefst würdelos aber ist es, Menschen so zu behandeln. Wir verletzen dabei
unsere eigene Würde als Mensch und zwar überall da, wo wir Unrecht tun
oder zulassen, wo wir uns nicht nach bestem Wissen und Gewissen und nach
unseren Kräften dafür einsetzen, dass alle Menschen gleich welcher Herkunft,
Hautfarbe und sozialem Status die Chance zu einem menschenwürdigen Leben
haben.
Ich bin dankbar, über mein persönliches Engagement hinaus zum Beispiel mit
den Hilfswerken* Fastenopfer und Brot für alle die Chance zu haben, ein
Stück der Seelenverletzung entrechteter Menschen zu heilen und dabei auch
etwas für die Wiederherstellung meiner eigenen Würde zu tun.
*
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Seelsorger: Roman Angst, Toni Zimmermann
In Teilzeit: Sr. Anna Affolter, Sr. Zoe Maria Isenring, Susanne Wey
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